1. Gründe für das Unterhalten eines zweiten Haushalts maßgebend

 

Rn. 730

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Zur Begründung einer doppelten Haushaltsführung kann es aus unterschiedlichsten Motiven kommen. Von steuerlicher Relevanz ist die doppelte Haushaltsführung nur, wenn das auslösende Moment ihrer Begründung in der beruflichen Sphäre des StPfl zu finden ist. Das ist der Fall, wenn der ArbN den Zweithaushalt führt, um von dort aus seinen Arbeitsplatz aufsuchen zu können (BFH v 26.07.2012, VI R 10/12, BStBl II 2013, 208).

Als Indiz für die berufliche Veranlassung der doppelten Haushaltsführung kann eine Entfernung zwischen dem Ersthaushalt und dem Ort der ersten Tätigkeitsstätte angesehen werden, die ein tägliches Pendeln zur Arbeitsstätte als mühsam und zeitaufwändig erscheinen lässt. Aber selbst bei kurzen Entfernungen kann eine berufliche Veranlassung vorliegen, wenn zB der ArbN sich im Interesse seines ArbG jederzeit in Rufbereitschaft halten muss (ansonsten s Rn 715, 720).

2. Frühere Rspr des BFH: Berufliche Veranlassung nur, wenn die Begründung des zweiten Haushalts aus beruflichem Anlass erfolgte

 

Rn. 731

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Nach der früheren Rspr des BFH lag eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung nur dann vor, wenn die Errichtung eines zweiten Haushalts beruflich motiviert war (zB BFH v 14.02.1975, VI R 125/74, BStBl II 1975, 607; BFH v 10.11.1978, VI R 21/76, BStBl II 1979, 219; BFH v 02.12.1981, VI R 167/79, BStBl II 1982, 297), beispielsweise wenn der ArbN seinen Arbeitsplatz wechselte oder versetzt wurde und am neuen Beschäftigungsort eine zweite Wohnung bezog, gleich ob dies sofort bei Dienstantritt geschah oder erst zu einem späteren Zeitpunkt. Umgekehrt schied der WK-Abzug aus, wenn der StPfl aus privaten Motiven unter Beibehaltung seiner bisherigen Wohnung am Beschäftigungsort die Familienwohnung an einen anderen Ort verlegte (BFH v 16.04.1980, VI R 7/77, BStBl II 1980, 512; BFH v 02.12.1981, VI R 167/79, BStBl II 1982, 297; BFH v 11.05.1995, IV R 6/94, BFH/NV 1995, 1057; BFH v 18.05.2006, VI B 4/06, BFH/NV 2006, 1475).

 

Rn. 732

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Abweichend von dem Grundsatz, dass eine doppelte Haushaltsführung die Neubegründung eines Zweitwohnsitzes am Beschäftigungsort aus beruflichem Grund voraussetzte, erkannte der BFH darüber hinaus auch früher schon in Ausnahmefällen eine doppelte Haushaltsführung trotz Verknüpfung mit privaten Motiven an: So konnten beiderseits berufstätige Partner nach Heirat eine ihrer beiden Wohnungen zur Familienwohnung erklären und den Mehraufwand für die andere Wohnung als WK abziehen (BFH v 20.03.1980, IV R 11/76, BStBl II 1980, 455; BFH v 22.09.1988, VI R 184/85, BFH/NV 1989, 220). Ebenfalls sollte eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung erneut begründet werden können, wenn der StPfl zwar aus privaten Motiven die Wohnung von der Arbeitsstätte wegverlegt hatte, dann aber nicht in zeitlichem Zusammenhang, sondern erst nach Jahren eine Zweitwohnung am Beschäftigungsort bezog (BFH v 30.10.1987, VI R 76/84, BStBl II 1988, 358).

3. Heutige Rspr: Berufliche Veranlassung, wenn die Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte (Beschäftigungsort) aus beruflichem Anlass unterhalten wird

 

Rn. 733

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Eine grundlegende Neuausrichtung seiner Rspr hat der BFH mit zwei Entscheidungen vom 05.03.2009 (BFH VI R 58/06, BStBl II 2009, 1012 und BFH VI R 23/07, BStBl II 2009, 1016) vorgenommen. Der BFH stellt seitdem allein darauf ab, dass aus beruflichen Gründen neben dem Familienhausstand eine weitere Wohnung am Beschäftigungsort (seit VZ 2014 Ort der ersten Tätigkeitsstätte) unterhalten wird bzw – so die Terminologie des BFH – "zum Hausstand des StPfl ein zweiter Haushalt am Beschäftigungsort hinzutritt". Unterhält der ArbN am Ort der ersten Tätigkeitsstätte eine Wohnung aus beruflichen Gründen, so qualifiziert dies die doppelte Haushaltsführung als beruflich veranlasst. Das Motiv, das zur Verlegung des Hausstands geführt hat, ist für den BFH nicht mehr maßgeblich, weil die private Wahl des Orts des Haupthausstands aus der beruflich veranlassten Errichtung des Zweithaushalts keine privat veranlasste macht. Auf die Lebensführung des StPfl am Ort der ersten Tätigkeitsstätte kommt es daher grds nicht an. Erst wenn sich auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen des StPfl an den Ort der ersten Tätigkeitsstätte verlagert und die Wohnung dort zum Ort der eigentlichen Haushaltsführung wird, entfällt deren berufliche Veranlassung (BFH v 28.03.2012, VI R 25/11, BStBl II 2012, 831).

Als unerheblich sieht es der BFH in diesem Zusammenhang an, ob der StPfl die bisherige alleinige Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte beibehält oder sich dort eine neue – möglicherweise kleinere – Unterkunft sucht und ob er die Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte allein oder zusammen mit Freunden oder Arbeitskollegen bewohnt (BFH v 28.03.2012, VI R 25/11, BStBl II 2012, 831).

 

Rn. 734

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Kennzeichen dieser Rspr ist der Wechsel der Perspektive: Während die frühere Rspr die berufliche Veranlassung der Begründung der doppelten Haushaltsführung auf das dynamische Moment des Wohnungswechsels bezog, ist für den BFH mittlerweile entscheidend das statische Innehaben einer Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte aus beruflichem Anlass.

Dies führt letztlich zu einer erheblichen ...

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