Rn. 3

Stand: EL 154 – ET: 11/2021

Voraussetzung für die Kostenerstattung nach § 77 EStG ist die Führung eines förmlichen Einspruchsverfahrens iSd §§ 347ff AO, vgl FG Nds v 27.05.1999, XII 344/98 Ki, EFG 1999, 905. Sie erfolgt unabhängig davon, ob sich an das Einspruchsverfahren ein Klageverfahren anschließt. Dienstaufsichtsbeschwerden, Gegenvorstellungen und Petitionen fallen nicht darunter. Auch auf einen Antrag auf Änderung nach § 164 Abs 2 S 2 AO§ 172 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AO oder § 70 Abs 24 EStG findet § 77 EStG keine Anwendung, BFH v 25.08.2009, III B 245/08, BFH/NV 2009, 1989; R 6.5 Abs 1 S 3 DA-KG 2020. Die unrichtige Bezeichnung des Schriftstücks (zB als Widerspruch, Beschwerde oder erneute Antragstellung) steht hingegen seiner Wertung als Einspruch jedoch nicht entgegen. Im Zweifel ist der wirkliche Wille des Erklärenden durch Auslegung zu ermitteln, wobei grundsätzlich die den Interessen des Erklärenden am ehesten gerecht werdende Möglichkeit zu Grunde zu legen ist, Seer in Tipke/Kruse, § 357 AO Rz 1, 5 (Juli 2017).

Die Kostenerstattungspflicht ist auf das – erfolgreiche – Einspruchsverfahren beschränkt, sie ist nicht auf andere Konstellationen auszudehnen, BFH v 25.08.2009, III B 245/08, BFH/NV 2009, 1989.

 

Rn. 4

Stand: EL 154 – ET: 11/2021

Entgegen dem Wortlaut des § 70 Abs 1 S 1 EStG, der eine Erstattung der notwendigen Aufwendungen (nur) bei einem erfolgreichen Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung vorsieht, gilt dies allg für Einspruchsverfahren in Kindergeldangelegenheiten, R 6.5 Abs 1 S 1 u 2 DA-KG 2020. So auch für Einsprüche, die sich gegen die Ablehnung, die zu niedrige Festsetzung sowie gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung richten (BFH v 23.07.2002, VIII R 73/00, BFH/NV 2003, 25) sowie für Untätigkeitseinsprüche, R 6.5 Abs 1 S 2 DA-KG 2020; FG D'dorf v 08.06.2011, 7 K 85/11 Kg, EFG 2012, 592; FG Köln v 21.11.2012, 14 K 1020/12, EFG 2013, 713; FG Ha v 06.06.2017, 5 K 148/16, nachfolgend BFH v 18.12.2019, III R 46/17, BFH/NV 2020, 690.

Betreffen die Einsprüche die in Fällen der Abzweigung nach § 74 EStG zu erlassende Auszahlungsanordnung (dazu s § 74 Rn 70f (Pust)) und Abrechnungsbescheide nach § 218 Abs 2 AO, zB in Fällen der Aufrechnung nach § 75 EStG (dazu s § 75 Rn 50 (Pust)) oder der Pfändung nach § 76 EStG (dazu s § 76 Rn 41 (Pust)), findet § 77 EStG entsprechend Anwendung, soweit der Einspruch erfolgreich gewesen ist, BFH v 26.06.2014, III R 39/12, BStBl II 2015, 148; BFH v 18.11.2015, XI R 24–25/14, BFH/NV 2016, 418; BFH v 23.06.2015, III R 31/14, BStBl II 2016, 26. Gleiches gilt, wenn sich der Einspruch gegen einen Rückforderungsbescheid richtet, BFH v 18.11.2014, XI R 24–25/14, BFH/NV 2016, 418.

Hingegen findet § 77 EStG keine Anwendung im Rahmen von Billigkeitsentscheidungen gemäß § 163 AO, in sog Weiterleitungsfällen (R 6.5 Abs 1 DA-KG 2020; BFH v 09.12.2010, III B 115/09, BFH/NV 2011, 434) oder in Fällen, in denen sich der Kindergeldberechtigte außergerichtlich mit Erfolg gegen den Realakt der Zahlungsunterbrechung wendet, FG Ha v 24.03.2017, 5 K 15/17; vgl auch FG Münster v 05.02.2015, 11 K 1172/14 Kg; Wendl in H/H/R, § 77 EStG Rz 2 (Juni 2020). Da die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 71 EStG ohne Erteilung eines Bescheids erfolgt, ist § 77 EStG nicht anzuwenden, wenn die Familienkasse auf einen außergerichtlichen Rechtsbehelf die Zahlungen wieder aufnimmt. Auch auf Einspruchsverfahren gegen die Kostenentscheidung oder die Kostenfestsetzung findet § 77 EStG keine Anwendung, FG D´dorf v 31.03.2006, 18 K 1795/05 Kg, EFG 2006, 909; Wendl in H/H/R, § 77 EStG Rz 2 (Juni 2020).

 

Rn. 5

Stand: EL 154 – ET: 11/2021

Erstattungsberechtigt ist nach dem Gesetzeswortlaut (§ 77 Abs 1 S 1 EStG) nur derjenige, der den Einspruch erhoben hat.

Wie der Einspruchsführer ist aber auch der nach § 360 Abs 3 AO zum Einspruchsverfahren Hinzugezogene zu behandeln, wenn er entsprechende Anträge gestellt hat, R 6.5 Abs 1 S 4 DA-KG 2020; Wendl in H/H/R, § 77 EStG Rz 2 (Juni 2020). Die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen sind im finanzgerichtlichen Verfahren hingegen nur iR der gemäß § 139 Abs 4 FGO zu treffenden Billigkeitsentscheidung erstattungsfähig.

 

Rn. 6–10

Stand: EL 154 – ET: 11/2021

vorläufig frei

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