Rn. 209

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

Als Veräußerungs- und Ersatzbeschaffungsobjekte kommen nur WG des AV in Betracht. Das Steuerrecht kennt keinen eigenständigen Begriff des AV. Deshalb ist zur Auslegung auf das Sachverhaltsmerkmal nach § 247 Abs 2 HGB abzuheben ("dauernd"). Wegen der Zugehörigkeit zum AV bzw UV s §§ 4,5 Rn 608 (Hoffmann).

Wichtig ist: Die Verkaufsabsicht allein führt nicht zur Umwidmung in das UV, denn sonst kämen die Begünstigungen nach § 6b EStG nie zur Anwendung. Eine Ausnahme ist nach BFH BStBl II 2002, 289 dann gegeben, wenn der betreffende StPfl seinen bisher im AV befindlichen Grundbesitz nicht nur parzelliert, sondern auch den Bebauungsantrag stellt und den Bebauungsplan selbst finanziert: Dann gelangen die Grundstücke ins UV.

Die Zuordnung zum AV ist bei Veräußerungsobjekten als Verkaufs-WG so gut wie immer schon durch das Erfordernis der sechsjährigen Behaltefrist klargestellt, denn bei einer so langen Besitzdauer eines WG – insb Grundstück und Gebäude – kann es sich kaum jemals um UV handeln (Ausnahme Grundstückverwertungs- oder Bauträgerunternehmen mit unverkäuflichen "Halden"). So geht die FinVerw zutreffend davon aus, dass WG, die sechs Jahre zum BV des StPfl gehört haben, idR als AV gewertet werden können. Eine Ausnahme gilt, wenn besondere Gründe dieser Zurechnung entgegenstehen (R 6b.3 Abs 1 EStR 2012).

Zu beachten ist, dass die Zugehörigkeit zum AV des Veräußerungsobjektes innerhalb der gesamten Sechsjahresfrist ununterbrochen gegeben sein muss.

Beim Ersatzobjekt ist die Bestimmung – weil zukunftsbezogen – schwieriger. Jedenfalls muss es sich ebenfalls um ein WG des AV handeln, sodass eine Übertragung stiller Reserven auf Grundstücke und/oder Gebäude eines Grundstücksverwertungsunternehmens oder eines gewerblichen Grundstückshandels nicht in Betracht kommt. Das Ersatz-WG muss andererseits nicht immer im AV verbleiben. Die "Behaltefrist" ist allerdings offen.

 

Rn. 210

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

Weitere Voraussetzung ist, dass das veräußerte WG und auch das Ersatz-WG zum AV einer inländischen Betriebsstätte gehören. § 12 AO definiert den Begriff der Betriebsstätte. Diese Betriebsstätte gilt als inländisch, soweit sie im Inland belegen ist. Dabei muss es sich nicht um die gleiche Betriebsstätte (des StPfl) handeln. Deshalb kann eine natürliche Person die Vergünstigungen des § 6b EStG auch dadurch in Anspruch nehmen, dass der Veräußerungsgewinn für ein bestimmtes WG (unter den weiteren Voraussetzungen), der in einer Betriebsstätte entsteht, auf eine Ersatzbeschaffung in einer anderen inländischen Betriebsstätte übertragen wird (so zutreffend die FinVerw, BB 1990, 1028).

An einer inländischen Betriebsstätte fehlt es auch dann, wenn eine ausländische KapGes gemäß § 49 Abs 1 Nr 2 Buchst f S 2 EStG aF (jetzige § 49 Abs 1 Nr 2 Buchst f S 3 EStG) erzielt, weil diese Regelung zwar gewerbliche Einkünfte, nicht hingegen eine inländische Betriebsstätte fingiert. Das FG Mchn verwehrte daher einer Luxemburger Gesellschaft bei Verkauf der inländischen Immobilie die Bildung einer Rücklage nach §§ 6b, 6c EStG. Eine unzulässige Diskriminierung sieht das FG darin nicht (vgl FG Mchn v 30.04.2019, 6 K 1185/18).

Nicht begünstigt sind Gewinne aus der Veräußerung von WG, die im Zeitpunkt ihrer Veräußerung einer ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen waren. Dies gilt auch dann, wenn der Veräußerungsgewinn im Inland steuerpflichtig sein sollte. Für die Anwendung des § 6b EStG ist allein die Zurechnung des WG zu einer inländischen Betriebsstätte entscheidend.

 

Rn. 211

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

Fraglich geworden war der (ausschließliche) Inlandsbezug für die Reinvestition. Die EU-Kommission hat die BRD am 27.09.2012 vor dem EuGH im Wege eines Vertragsverletzungsverfahrens verklagt. Das FG Nds sieht in der Gesetzesfassung einen Verstoß gegen das Unionsrecht (FG Nds v 01.12.2011, EFG 2012, 1031 rkr), so auch Broemel/Endert, DB 2012, 2714. Dagegen aus Sicht der FinVerw Mitschke, DStR 2012, 1629.

Der EuGH hat das Vertragsverletzungsverfahren im Urt EuGH v 16.04.2015, C – 591/13, DStR 2015, 870 zugunsten der Kommission entschieden. Danach ist die Beschränkung auf die Reinvestition auf eine inländische Betriebsstätte europarechtswidrig.

Darauf hat der Gesetzgeber im StÄndG 2015 reagiert. Nach § 6b Abs 2a EStG nF kann der StPfl bei Reinvestition im EU/EWR-Ausland die stillen Reserven des veräußerten WG in 5 Jahresraten auf Antrag versteuern. Bei ausbleibender oder lediglich partieller Reinvestition des Veräußerungsgewinns werden Zinsen gemäß § 234 AO erhoben.

Nach Auffassung von Kanzler verstößt auch die Regelung des § 6b Abs 2a S 1 Nr 2 EStG gegen das Unionsrecht (Kanzler, FR 2019, 741).

 

Rn. 212–215

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

vorläufig frei

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