Rn. 1817

Stand: EL 140 – ET: 12/2019

Für den Tausch mit Zuzahlung (Baraufgabe) wird der Gesetzeswortlaut des § 6 Abs 6 S 1 EStG (s Rn 1791) wie folgt ergänzt: Die Zuzahlung der Gegenseite ist vom gemeinen Wert des hingegebenen Gegenstandes abzuziehen, um die AK des erworbenen Gegenstandes zu bestimmen. Diese "Regel" wird auch für die handelsrechtliche Bilanzierung als zutreffend erachtet.

Diese Vorgabe mag bei (objektiv) wertgleichen Grundstücken und anderen Tauschgegenständen passen. Diese Voraussetzung ist jedoch nicht immer gegeben, zB dann nicht, wenn ein Tauschpartner die Zwangslage des anderen Beteiligten ausnutzt (so zB schon das in s Rn 1801 zitierte Tauschgutachten des BFH). Dazu folgendes Bsp (nach Lüdenbach/Freiberg, DB 2012, 2703, mit wörtlicher Übernahme der dortigen Ausführungen).

 

Beispiel:

Die A GmbH ist Eigentümerin eines Grundstücks (nachfolgend Altgrundstück) mit einem Buch- und Zeitwert von 1 Mio EUR. Das Grundstück grenzt an das Betriebsgelände der N AG. Aus lärmschutzrechtlichen Gründen kommt für den dringend benötigten Ausbau der Produktionsstätte der N nur der noch A gehörende Grundbesitz in Frage. A weiß von diesem speziellen Arrondierungsinteresse der N und handelt daher für die Veräußerung des Grundstücks einen Preis von 2 Mio. EUR aus. Zwei Gestaltungsalternativen werden besprochen:

  • Alt 1: N leistet für das Altgrundstück 2 Mio EUR in bar an A. A erwirbt anschließend für den marktkonformen Preis von 1 Mio EUR ein Neugrundstück von N oder einem Dritten.
  • Alt 2: N entrichtet 1 Mio EUR in bar und überträgt außerdem ein ihm gehörendes Grundstück (nachfolgend ebenfalls Neugrundstück) mit einem Zeitwert von 1 Mio EUR auf A.

Steuerbilanziell stellen sich für A die Fragen

  • nach dem Veräußerungserfolg aus dem Abgang des Altgrundstücks und
  • dem Zugangswert des Neugrundstücks.

Die Antwort ist nur noch in der Barvariante (Alt 1) eindeutig:

 
Per Geld 2 Mio EUR    
    an Altgrundstück 1 Mio EUR
    an Ertrag 1 Mio EUR
Per Neugrundstück 1 Mio EUR    
    an Geld 1 Mio EUR

Aus dem Abgang des Altgrundstücks wird ein Gewinn von 1 Mio EUR realisiert, der nicht aus den durch das Verhältnis von Marktpreis (Zeitwert) zu Buchwert resultierenden stillen Reserven, sondern aus dem Verhältnis von Marktpreis und Veräußerungspreis bzw speziellen Erwerbsmotiven des N resultiert. Das Neugrundstück wird mit seinen baren AK von 1 Mio EUR eingebucht.

In der Variante Tausch mit Baraufgabe (Alt 2) stellt sich hingegen die Frage, ob

  • vorrangig der zutreffende Veräußerungsgewinn für den hingegebenen Gegenstand ermittelt werden soll und deshalb auf den Wert der erhaltenen Sachen als den Veräußerungspreis (erhaltenes Entgelt) abzustellen ist oder
  • umgekehrt der zutreffenden Ermittlung der AK des erworbenen Gegenstands und damit dem Wert der hingegebenen Sache als Anschaffungsaufwendungen für die erworbene Sache Vorrang zu geben ist.

Diese "Lösung" gewährleistet im hier zu betrachtenden Fall der Wertungleichheit

  • weder eine zutreffende Ermittlung des Veräußerungsgewinns für das hingegebene WG
  • noch eine angemessene Bestimmung der AK des erworbenen WG,

wie folgende Überlegungen zeigen:

Der Veräußerungsgewinn würde sich nach allg Grundsätzen, die nicht nur bei privaten Tauschgeschäften, sondern zB auch im USt-Recht (§ 10 Abs 2 S 1 UStG) gelten (Veräußerungspreis = Wert der empfangenen Leistung), wie folgt ermitteln:

 
Erhaltenes Geld 1 Mio EUR
+ erhaltene Sachen (gemeiner Wert Neugrundstück) + 1 Mio EUR
= Veräußerungspreis hingegebenes WG (Altgrundstück) = 2 Mio EUR
./. Buchwert hingegebenes WG (Altgrundstück) ./. 1 Mio EUR
= Veräußerungsgewinn = 1 Mio EUR

Als Buchungssatz:

 
Per Geld 1 Mio EUR    
Per Neugrundstück 1 Mio EUR    
    an Altgrundstück 1 Mio EUR
    an Ertrag 1 Mio EUR

Das Neugrundstück würde danach mit AK von 1 Mio EUR eingebucht.

Stattdessen führt die Lösung von steuerlichem Schrifttum und Rspr aber zu folgendem Veräußerungsgewinn:

 
Gemeiner Wert hingegebenes WG (Altgrundstück) 1 Mio EUR
= Veräußerungspreis hingegebenes WG (Altgrundstück) = 1 Mio EUR
./. Buchwert hingegebenes WG (Altgrundstück) ./. 1 Mio EUR
= Veräußerungsgewinn = 0 EUR

Völlig unbeachtet bleibt dabei der tatsächlich von der Gegenseite geleistete Veräußerungspreis. Der "Ausgleich" für die Nichterfassung des Veräußerungsgewinns erfolgt durch eine ebenso unzutreffende Bestimmung der AK der erworbenen Sache:

 
Gemeiner Wert hingegebenes WG (Altgrundstück) 1 Mio EUR
./. erhaltene Barzahlung ./. 1 Mio EUR
= AK erworbenes WG (Neugrundstück) 0 EUR

Die Transaktion wird – gegen die Faktenlage – so abgebildet, als ob das Neugrundstück unentgeltlich auf A übergegangen wäre.

Als Buchungssatz:

 
Per Geld 1 Mio EUR    
Per Neugrundstück 0 EUR    
    an Altgrundstück 1 Mio EUR

Die Schieflage verschärft sich weiter, wenn das erhaltene Grundstück nur einen Zeitwert von 0,9 Mio EUR hat, zur Wahrung der insgesamt vereinbarten Gegenleistung (2 Mio EUR) daher der Baranteil auf 1,1 Mio EUR erhöht wird. Daraus würden im wertungleichen Tausch auch steuerrechtlich aus der Anwendung des...

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