Rn. 1720

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Die Übertragung von einzelnen WG zwischen beteiligungsidentischen PersGes ist nicht ausdrücklich in § 6 Abs 5 S 3 EStG geregelt. Sie erfüllt keinen der in den Nr 1–3 genannten Übertragungstatbestände. Eine entsprechende Regelung war im Bericht des BMF als Grundlage zum UntStFG enthalten, ist jedoch im Gesetz nicht berücksichtigt worden. Ein naheliegender Schluss ist der, dass der Gesetzgeber diesen Fall gerade nicht iSd Buchwertübertragung regeln wollte (ähnlich Strahl, KÖSDI 2002, 13 164, 13 169).

Da diese Übertragungen jedoch mit den in den Nr 1–3 aufgeführten Übertragungen wirtschaftlich vergleichbar sind, wird in der Literatur argumentiert, § 6 Abs 5 S 3 EStG auf diese analogen Vorgänge anzuwenden, Als Begründung wird angeführt, dass die stillen Reserven bei den gleichen Steuersubjekten verhaftet bleiben (Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 717, 725; Niehus, FR 2005, 278). Der BFH v 25.11.2009, I R 72/08, BStBl II 2010, 471 ist dieser Auffassung jedoch nicht gefolgt und hat eine Aufdeckung stiller Reserven gefordert, weil § 6 Abs 5 S 3 EStG für diese Fälle gerade keine Buchwertfortführung vorschreibt.

Gegen diese Entscheidung regten sich Stimmen aus dem sonst für diese Rechtsprobleme zuständigen IV. BFH-Senat durch Wendt, FR 2010, 387:

  • Das Gesetz verbietet dem Wortlaut nach nicht die Buchwertfortführung.
  • Das zu beachtende Transparenzprinzip geht vom Subjekt der Besteuerung in Gestalt des Gesellschafters aus, bei dem die stillen Reserven des Transferobjektes erhalten bleiben.
  • Weil iRd § 6 Abs 5 S 3 EStG sogar intersubjektiv stille Reserven verschoben werden können, müsse dies nach dem verfassungsrechtlich gebotenen Folgerichtigkeitsgebot auch bei einem Transfer zwischen beteiligungsidentischen Schwestergesellschaften möglich sein.

Mit Beschluss v 18.03.2010 hat sich der IV. BFH-Senat in einem Aussetzungsverfahren (BFH v 18.03.2010, IV B 105/09, BStBl II 2010, 971) gegen die Entscheidung des I. Senats gewandt, weil er es als ernstlich zweifelhaft ansieht, dass die Übertragung eines WG des Gesamthandsvermögens einer PersGes auf eine beteiligungsidentische Schwester-PersGes zur Aufdeckung stiller Reserven führt. Da eine Divergenzanrufung des GrS im Aussetzungsverfahren nicht möglich ist, bleibt die Rechtslage insoweit in der Schwebe.

Einen Schwenk in seiner Rechtsauffassung hat der I. BFH-Senat mit seinem Vorlagebeschluss BFH v 10.04.2013, I R 80/12, BFH/NV 2013, 1834 an das BVerfG zur Normenkontrolle vollzogen: Er erachtet das Gleichheitsgebot verletzt, sieht sich jedoch an einer Abweichung vom Gesetzeswortlaut gehindert. Das Verfahren ist unter Az 2 BvL 8/13 beim BVerfG anhängig. Bis zur Klärung der Rechtslage sollten einschlägige Fälle offengehalten werden. Die Gesetzeslage bedarf uE einer sinnvollen Anpassung (so auch Ehmcke in Brandis/Heuermann, § 6 EStG Rz 1347 (Juli 2016)).

 

Rn. 1721

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Die FinVerw lehnt in BMF v 08.12.2011, BStBl I 2011, 1279 Tz 18 die Anwendung des § 6 Abs 5 S 3 Nr 2 EStG auf Übertragungen – auch zwischen beteiligungsidentischen – Schwestergesellschaften ab. Bei Kettenübertragungen durch Zwischenschaltung von Sonder-BV musste nach BMF zufolge die Anwendung der Gesamtplan-Rspr und des § 42 AO geprüft werden (BMF v 08.12.2011, BStBl I 2011, 1279 Tz 19). An dieser Auffassung hält die FinVerw nicht mehr fest (BMF v 20.11.2019, BStBl I 2019, 1291 Rz 40, danach findet die Tz 19 keine Anwendung mehr).

 

Rn. 1722

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Eine Ausweichgestaltung kann ab 2002 uU die Inanspruchnahme des § 6b EStG liefern (s Rn 1761f).

Als weitere Ausweichgestaltung diskutieren Ostermayer/Riedel, BB 2003, 1305 die Anwendung der Realteilungsdogmatik gemäß § 16 Abs 3 S 2 EStG (s § 16 neu Rn 1331ff (Schacht)). Die Rechtslage ist allerdings diesbezüglich nach Auffassung der beiden Autoren nicht zweifelsfrei, hierzu s Rn 1671. Der Regelungsbereich beschränkt sich auf natürliche Personen (Umkehrschluss aus § 6 Abs 5 S 5 EStG, s Rn 1696).

Zu beachten ist, dass Ausweichgestaltungen einen Gestaltungsmissbrauch iSd § 42 AO darstellen können. Nach Rspr des BFH gibt es jedoch keinen allgemeinen Grundsatz, wonach eine aufgrund einer einheitlichen Planung in engem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang stehende Mehrzahl von Rechtsgeschäften maßgeblich für die Zusammenfassung zu einem Vorgang für die steuerliche Beurteilung ist. Grundlage ist vielmehr die jeweils verwirklichte zivilrechtliche Gestaltung (sog Gesamtplan-Rspr BFH v 16.12.2015, BFHE 252, 141; BFH v 30.03.2017, IV R 11/15, BFHE 257, 324). Die FinVerw teilt diese Auffassung inzwischen (BMF v 08.12.2011, BStBl I 2011, 1279 Tz 19; BMF v 20.11.2019, BStBl I 2019, 1291 Rz 40; s Rn 1601).

 

Rn. 1723–1730

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vorläufig frei

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