Rn. 951

Stand: EL 163 – ET: 02/2023

Verbindlichkeiten sind nach § 6 Abs 1 Nr 3 EStG unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der Nr 2 anzusetzen. Damit gelten für Verbindlichkeiten die Regelungen, welche für das nicht abnutzbare AV und UV gelten, spiegelbildlich. Deshalb sind für Verbindlichkeiten als Ausgangsgröße der Bewertung die AK, die HK und der "an deren Stelle tretende Wert" (s Rn 36, 145) maßgeblich und im Zuge der Folgebewertung dann auch Teilwertabschreibungen und -zuschreibungen (Letztere immer spiegelbildlich verstanden) denkbar.

 

Rn. 952

Stand: EL 163 – ET: 02/2023

Dabei folgt die steuerliche Bewertung von Verbindlichkeiten nach handelsrechtlichen Grundsätzen (zB BFH BStBl II 09, 100), welches als Bewertungsgrundlage für Verbindlichkeiten in § 253 Abs 1 S 2 HGB auf den Rückzahlungsbetrag bzw seit BilMoG v 25.05.2009 (s vor § 1 Rn 193 (Bitz)) auf den Erfüllungsbetrag mit der Besonderheit für Rentenverpflichtungen verweist, die ohne Gegenleistung erbracht werden. Da letztgenannte keinen Nennwert haben, sind sie mit dem Barwert anzusetzen (BFH IV R 126/76, BStBl II 1980, 491).

Aus steuerlicher Sicht entsprechen die AK oder der an deren Stelle tretende Wert (s Rn 350f) idR dem Nennwert der gewissen Verbindlichkeiten (im Gegensatz zu den "ungewissen" Verbindlichkeiten, für die eine Rückstellung zu bilden ist, s Rn 985). In systematischer Sicht entspricht idR der Nennwert also der Ausgangsbewertung (s Rn 36, 145).

 

Rn. 953

Stand: EL 163 – ET: 02/2023

Bei Verbindlichkeiten, die in Geld zurückgezahlt werden, entspricht der Nennwert dem Rückzahlungsbetrag (zB BFH v 15.09.2004, BStBl II 2009, 100). Sollte der Auszahlungsbetrag der Verbindlichkeit aufgrund des Einbehalts eines Disagios oder Damnums geringer sein als die Rückzahlungsverpflichtung, ist die Verbindlichkeit gleichwohl mit dem Nennwert (Rückzahlungsbetrag) der Verbindlichkeit anzusetzen. Für das Disagio oder Damnum ist ein aktiver RAP zu bilden, der über den Zeitraum der Zinsfestschreibung aufzulösen ist (vgl BFH v 29.09.2006, BStBl II 2009, 955). Verbindlichkeiten, deren Erfüllung nicht auf einen Geldbetrag ausgerichtet sind, sondern in Sach- oder Dienstleistungen bestehen, sind mit dem Betrag anzusetzen, welcher dem zur Erfüllung notwendigen Aufwand entspricht. Der Ansatz erfolgt grds zu Vollkosten (Einzel- und Gemeinkosten), zB Verbindlichkeiten, die auf Entfernung, Rückgabe, Übergabe von WG (zB Tausch) oder Reparatur gerichtet sind (Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz 447 (37. Aufl)).

Zur Rückkaufoption im Kfz-Handel vgl BMF v 12.10.2011, BStBl I 2011, 967. Mit Urteil BFH v 17.11.2010, I R 83/09, BStBl II 2011, 812 hat der BFH entschieden, dass für die Verpflichtung eines Kraftfahrzeughändlers, verkaufte Kfz auf Verlangen des Käufers zurückzukaufen, eine Verbindlichkeit iHd dafür vereinnahmten – ggf zu schätzenden – Entgelts auszuweisen ist. Sollte die Verbindlichkeit in einer fremden Währung zu erfüllen sein, erfolgt ihre Bewertung gleichwohl mit dem Nennwert, der mit dem notierten Kurs in Euro umzurechnen ist (§§ 244, 256a HGB). Für die Umrechnung ist der Zeitpunkt der Entstehung der Verbindlichkeit, dh der Kurs zu diesem Zeitpunkt, maßgeblich (Ehmcke in Brandis/Heuermann, § 6 Rz 971 (Juli 2016)). Zum Teilwert dieser Verbindlichkeiten s Rn 973ff. Zum Einfluss von Wertsicherungsklauseln auf den Teilwert s Rn 978.

 

Rn. 954

Stand: EL 163 – ET: 02/2023

Für Verbindlichkeiten galt bislang grds ein Abzinsungsgebot. Dieses Gebot basierte auf dem Grundsatz, dass Verbindlichkeiten stets einen Tilgungs- und einen Zinsanteil umfassen. Fehlt es an einer förmlichen Vereinbarung eines Zinses (sog versteckter Zins), obwohl die Verbindlichkeit eine längere Laufzeit (wenigstens ein Jahr) aufweist, beinhaltet der Gesamtbetrag der Verbindlichkeit diesen. Hierzu hat der BFH schon immer entschieden, dass in einer solchen förmlich unverzinslichen Verbindlichkeit, die auf einem wechselseitigen Vertrag beruht, ein Zinsanteil enthalten ist (BFH BStBl II 1987, 553; 1975, 647; 1983, 753). Daher musste die Verbindlichkeit nach § 6 Abs 1 Nr 3 S 1 EStG abgezinst werden.

Für die Abzinsung wurde gesetzlich ein Zinssatz von 5,5 % vorgeschrieben. Die Ausnahmen des § 6 Abs 1 Nr 3 S 2 EStG für verzinsliche Verbindlichkeiten, Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von weniger als 1 Jahr, sowie für Verbindlichkeiten, die auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen, sind zu beachten.

Für Wj, die nach dem 31.12.2022 enden, und auf Antrag auch für frühere Wj, gilt dieses Abzinsungsgebot nicht mehr. Es wurde mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz (s Rn 10) aufgehoben. Der Gesetzgeber begründet dies mit der anhaltenden Niedrigzinsphase. Denn das Abzinsungsgebot gründet auf der Vorstellung, dass eine erst in Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht. Da aufgrund der aktuellen Niedrigzinsphase jedoch vermehrt unverzinsliche oder sogar negativ verzinste Verbindlichkeiten gewährt werden, ist eine Anpassung der Regelung an die marktü...

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