Rn. 90

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Wird eine in einem DBA- oder EU-Staat ansässige Gesellschaft formal in den Bezug inländischer Einkünfte eingeschaltet, können auch nicht berechtigte Personen in den Genuss von Steuerermäßigungen durch DBA oder EU-Richtlinien kommen (sog Treaty- oder Directive-Shopping). Um derartigen Missbräuchen zu begegnen, schuf der Gesetzgeber eine spezialgesetzliche Regelung in § 50d EStG, die mittlerweile auf eine wechselvolle Geschichte zurückblickt. Die zu Beginn eher allg gefassten Missbrauchskriterien wurden im Zeitablauf einer stetigen Verschärfung unterworfen, die insb geprägt ist durch die Auseinandersetzung mit der Rspr über deren EU-rechtskonforme Ausgestaltung. Da auch die bisher geltende Fassung durch den EuGH als EU-widrig (s EuGH v 14.06.2018, C-440/17, Rechtssache GS, DStR 2018, 1479) eingestuft wurde, war eine weitere Anpassung der Regelung unvermeidbar.

Die FinVerw reagierte auf die Rspr des EuGH mit einem Erlass, der die Anwendung des § 50d Abs 3 EStG für Fälle des § 43b EStG bis auf weiteres einschränkte (BMF v 04.04.2018; BStBl I 2018, 589; hierzu s Rn 95c). Zwischenzeitlich hat auch der Gesetzgeber eine grundlegende Neuregelung des § 50d Abs 3 EStG iRd des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes (BR-Drucks 50/21) vorgenommen, die dem StPfl ua generell einen Motivtest zur Widerlegung eines als missbräuchlich qualifizierten Treaty- oder Directive-Shoppings einräumt (für erste kritische Anmerkungen s Haase/Blank, Ubg 2021, 78; Grotherr, NWB 2021, 262).

 

Rn. 90a

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Mit § 50d Abs 1a EStG wurde 1994 durch das StMBG erstmals eine gesetzliche Regelung geschaffen, die die missbräuchliche Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen vermeiden sollte. Anstoß hierfür war die damalige Rspr des BFH (sog Monaco-Entscheidung – BFH BStBl II 1982, 150), nach der die Anwendung des § 42 AO im Verhältnis zu nur beschränkt StPfl nicht möglich war. Das StÄndG 2001 brachte die Neufassung und Umstellung in § 50d Abs 3 EStG, durch welche die Anwendung auf das Erstattungs- und das Freistellungsverfahren klargestellt wurde. Nach § 50d EStG aF trat die Rechtsfolge der Versagung eines Steuerentlastungsanspruchs ein, wenn und soweit Personen an der ausländischen Gesellschaft beteiligt waren, denen bei einem fiktiven unmittelbaren Bezug kein Entlastungsanspruch zustände und

(1) für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und
(2) sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet.

Dem Gesetzeswortlaut nach waren die persönliche Tatbestandsvoraussetzung und die sachlichen Voraussetzungen jeweils durch ein "und" verbunden. Für eine Anwendung der Norm mussten daher alle drei Tatbestandsmerkmale kumulativ vorliegen. Es reichte insoweit für die Inanspruchnahme von Quellensteuervergünstigungen nach DBA oder EU-Recht aus, wenn bei fehlender fiktiver persönlicher Entlastungsberechtigung der Gesellschafter entweder wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Einschaltung der Gesellschaft oder das Vorliegen einer eigenen Wirtschaftstätigkeit dokumentiert werden konnten.

Mit dem JStG 2007 wurde § 50d Abs 3 EStG in Reaktion auf eine als zu großzügig empfundene Rspr (BFH BStBl II 2006, 118 – "Hilversum II") durch die Einfügung zusätzlicher sachlicher Tatbestandsvoraussetzungen sowie durch die Einführung von "Oder"-Verknüpfungen zwischen den einzelnen tatbestandlichen Merkmalen wesentlich verschärft. In der Fassung des JStG 2007 versagte § 50d Abs 3 EStG eine Steuerentlastung nach § 50d Abs 1 o 2 EStG, wenn neben der grds unveränderten persönlichen Tatbestandsvoraussetzung eines der drei folgenden Merkmale erfüllt war:

(1) Es fehlten für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe, oder
(2) die ausländische Gesellschaft erzielte nicht mehr als 10 % ihrer Bruttoerträge des betreffenden Wj aus eigener Geschäftstätigkeit, oder
(3) die ausländische Gesellschaft nimmt nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allg wirtschaftlichen Verkehr teil.
 

Rn. 90b

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Um EU-rechtliche Bedenken gegen die bisherige Regelung auszuräumen, wurden die sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs 3 EStG durch das BeitrRLUmsG mit Wirkung ab VZ 2012 abermals geändert. Auf die starre Mindestgrenze von 10 % eigenwirtschaftlicher Bruttoerträge wurde verzichtet und nun auch in Zusammenhang mit den sachlichen Entlastungsvoraussetzungen eine gesetzestechnisch äußerst komplex formulierte Aufteilungsmethodik eingeführt, die die Rechtsanwendung erschwert und fehleranfällig macht (zur Kritik statt vieler Lüdicke, IStR 2012, 81; Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 29l, 20. Aufl).

Danach hängt der Umfang der Steuerentlastung ab 01.01.2012 vom Verhältnis der Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit ("aktive Bruttoerträge") zuzüglich nicht aktiver Bruttoerträge, die gleichwohl entlastungsberechtigt sind (§ 50d Abs 3 S 1 Nr 1 u 2 E...

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