Rn. 107

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Nach § 50d Abs 3 S 1 EStG nF besteht ein Anspruch auf Steuerentlastung, soweit die im betreffenden Wj der ausländischen Gesellschaft erzielten Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen. In den VZ 2007 bis 2011 war nach § 50d Abs 3 S 1 Nr 2 EStG aF (2007) erforderlich, dass die ausländische Gesellschaft mehr als 10 % ihrer gesamten Bruttoerträge des betreffenden Wj aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielte. Bis VZ 2006 wurde die Entlastungsberechtigung an die Entfaltung einer eigenen Wirtschaftstätigkeit geknüpft, ohne dass diese quantitativ festgelegt wurde.

 

Rn. 107a

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Aufgrund der EuGH-Rspr (EuGH v 20.12.2017, C-504/16, C-613/16, Rechtssache Deister Holding und Juhler Holding, DStR 2018, 119 zu Abs 3 idF JStG 2007; EuGH v 14.06.2018, C-440/17, Rechtssache GS, DStR 2018, 1479 zu Abs 3 idF BeitrRLUmsG 2011), die den § 50d Abs 3 EStG auch in seiner jeweiligen Fassung als gemeinschaftsrechtswidrig einstuft, wird der Begriff der Wirtschaftstätigkeit durch die FinVerw in den Fällen, in den ein Quellensteuerentlastungsanspruch nach § 43b EStG geltend gemacht wird, entgegen dem Gesetzeswortlaut erweiternd ausgelegt (BMF v 04.04.2018; BStBl I 2018, 589):

  • Eine Gesellschaft nimmt danach auch insoweit iSd § 50d Abs 3 S 1 Nr 2 EStG am allg wirtschaftlichen Verkehr teil, als sie ihre Bruttoerträge aus der Verwaltung von WG erzielt.
  • Bei passiver Beteiligungsverwaltung gilt dies nur jedoch dann, wenn die Gesellschafterrechte durch die ausländische Gesellschaft tatsächlich ausgeübt werden.

Diese gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 50d Abs 3 S 1 Nr 2 EStG kommt nur für Dividendenzahlungen an EU-Muttergesellschaften zum Tragen; in allen anderen Fällen, zB für Drittstaatensachverhalte und für Zins- und Lizenzzahlungen innerhalb der EU, gelten die bisherigen Regelungen unverändert fort (zur Kritik s Rn 95c).

 

Rn. 108

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Der Begriff der Bruttoerträge knüpft an die Nomenklatur der §§ 7 Abs 6 S 2 u 9 AStG an und wird dementsprechend von der FinVerw als "Solleinnahmen ohne durchlaufende Posten und ohne eine evtl gesondert auszuweisende USt" verstanden (BMF v 24.01.2012, BStBl I 2012, 171 Tz 4.2.; zu den dadurch verbleibenden Unklarheiten Bünning/Mühle, BB 2006, 2159; Ritzer/Stangl, FR 2006, 757). Eine Gleichsetzung der Bruttoerträge mit den konkret steuerabzugspflichtigen Erträgen (s mit Hinweis auf Sinn und Zweck der Regelung Dorfmüller/Fischer, IStR 2011, 860; Maerz/Guter, IWB 2011, 927; Engers/Dyckmann, Ubg 2011, 932; Richter, BB 2012, 1643) ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht möglich (ablehnend auch Lüdicke, IStR 2012, 81; Loschelder in Schmidt, § 50d EStG Rz 47, 39. Aufl).

 

Rn. 109

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Betreffendes Wj ist das Wj, in dem der Entlastungsanspruch materiell entsteht (kritisch wegen der Ungewissheit über die endgültige Entlastungsquote und der Möglichkeit zufälliger Verwerfungen Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 50d Abs 3 EStG Rz 135, November 2007; Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 29d, 20. Aufl). Die FinVerw stellt in Freistellungsfällen auf das vorangegangene Wj ab und lässt De-Minimis-Regelungen zu (BMF BStBl I 2012, 171 Tz 13).

 

Rn. 110

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Eigene Wirtschaftstätigkeit setzt eine über die reine Vermögensverwaltung hinausgehende Beteiligung am allg wirtschaftlichen Verkehr voraus ("wirkliche" eigenwirtschaftliche Tätigkeit – so BFH v 29.01.2008, BStBl II 2008, 978 unter Hinweis auf EuGH v 12.09.2006, C-196/04, DStR 2006, 1686 – Rechtssache Cadbury Schweppes). Die Erbringung von Dienstleistungen gegenüber einer oder mehrerer Konzerngesellschaften ist ausreichend (BMF BStBl I 2012, 171 Tz 5.1.). Der Höhe nach sind nur solche Bruttoerträge zu berücksichtigen, die wie unter fremden Dritten abgerechnet werden. Mangels gesetzlicher Vorgaben, wo eine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet wird, ist auch die Aktivität einer Betriebsstätte im Inland oder in einem Drittstaat einzubeziehen (so auch Cloer/hagemann in B/B, § 50d EStG Rz 189, Juli 2017; Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 82b, Juni 2020; aA BMF v 04.04.2018; BStBl I 2018, 589).

 

Rn. 111

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Negativ abgrenzend liegt nach § 50d Abs 3 S 3 EStG (Alt 1) keine eigene Wirtschaftstätigkeit vor, soweit sie sich auf die bloße Verwaltung eigener WG beschränkt. Die Verwaltung fremder WG stellt idR eine originär gewerbliche Tätigkeit iSd § 15 Abs 2 EStG dar und ist deshalb auch eigene Wirtschaftstätigkeit (teleologische Reduktion; so auch Frotscher, § 50d EStG Rz 87, Juni 2020; Micker, FR 2009, 413; Cloer/Hagemann in B/B, § 50d EStG Rz 189; aA wohl BMF BStBl I 2012, 171 Tz 5.1; für EU-Muttergesellschaften weitergehend BMF v 04.04.2018, BStBl I 2018, 589). Der Erwerb von Beteiligungen bzw das Halten von Stammkapital ohne über bloße Verwaltungs- oder Rechtshandlungen hinausgehende Tätigkeiten (passive Beteiligungs-Verwaltung – BFH v 05.03.1986, BStBl II 1986, 496; BFH BStBl II 2002, 819;...

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