Rn. 95

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Nach § 48b Abs 5 EStG gilt § 48 Abs 4 EStG entsprechend, wenn eine Freistellungsbescheinigung vorliegt. § 48 Abs 4 EStG sieht folgende günstigen Rechtsfolgen für den Leistungsempfänger vor:

Wegen der Einzelheiten zu § 48 Abs 4 Nr 1 EStG§ 48 Rn 210ff (Wienbergen). Hervorzuheben ist, dass der BA-/WK-Abzug unabhängig von § 48 Abs 4 Nr 1 EStG auch noch von materiell-rechtlichen Voraussetzungen (zB wirtschaftliche Verursachung im VZ bzw Abfluss im VZ; Veranlassungszusammenhang mit den Einnahmen) abhängt (vgl FG Ha v 27.11.2019, 2 K 111/17, DStRE 2020, 606). Wegen der Einzelheiten zu § 48 Abs 4 Nr 2 EStG§ 48 Rn 216ff (Wienbergen).

Nach dem Wortlaut des § 48 Abs 4 EStG greifen die dort vorgesehenen günstigen Rechtsfolgen für den Leistungsempfänger nur ein, wenn der Leistungsempfänger den Steuerabzugsbetrag angemeldet und abgeführt hat. Da der Leistungsempfänger beim Vorliegen einer Freistellungsbescheinigung nicht verpflichtet ist, die Anmeldung und Abführung des Steuerabzugsbetrags vorzunehmen, werden ihm in diesen Fällen aus Gründen der Gleichbehandlung dieselben günstigen Rechtsfolgen eingeräumt, wie bei einer ordnungsgemäßen Anmeldung und Abführung.

 

Rn. 96

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Voraussetzung ist, dass dem Leistungsempfänger im Zeitpunkt der Gegenleistung eine nach § 48b Abs 1 S 1 EStG gültige Freistellungsbescheinigung vorliegt, so dass er nicht zur Anmeldung und Abführung der Bauabzugsteuer verpflichtet ist (vgl § 48 Abs 2 S 1 EStG; ebenso: Tz 94 BMF BStBl I 2022, 1229). Zwar spricht § 48b Abs 5 EStG verkürzend nur von einer vorliegenden Freistellungsbescheinigung, ohne auf deren Gültigkeit abzustellen. Aus dem Sachzusammenhang ergibt sich aber, dass der Leistungsempfänger aufgrund dieser Freistellungsbescheinigung berechtigt sein muss, von der Anmeldung und Abführung des Steuerabzugsbetrags abzusehen. Ansonsten wäre die Gleichbehandlung mit der ordnungsgemäßen Anmeldung und Abführung der Bauabzugsteuer nicht gerechtfertigt.

 

Rn. 97

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Zum Zeitpunkt der Gegenleistung s § 48 Rn 145ff (Wienbergen) und s § 48 Rn 177 (Wienbergen). Zur Frage, wie die Vorlage der Freistellungsbescheinigung zu erfolgen hat, s § 48 Rn 180 (Wienbergen). Zur Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung s § 48 Rn 175 (Wienbergen).

Ist die Freistellungsbescheinigung ohne Wissen des Leistungsempfängers zwischenzeitlich aufgehoben worden, besteht eine Verpflichtung zur Anmeldung und Abführung des Abzugsbetrags. Nimmt der Leistungsempfänger im Vertrauen auf die vorliegende Freistellungsbescheinigung keinen Steuerabzug vor, haftet er zwar wegen der Vertrauensschutzregelung in § 48a Abs 3 S 2 EStG nicht. Der gute Glaube rechtfertigt aber nicht die entsprechende Anwendung von § 48 Abs 4 EStG. Die Vertrauensschutzregelung gilt nur für den Haftungstatbestand in § 48a Abs 3 S 1 EStG. Allein aus dem Wortlaut in § 48b Abs 5 EStG, der die Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung nicht ausdrücklich verlangt, kann nicht entnommen werden, dass die entsprechende Anwendung von § 48 Abs 4 EStG auch dann eingreifen soll, wenn die vorgelegte Freistellungsbescheinigung unwirksam oder nicht mehr wirksam ist (wie hier: Ebling in Brandis/Heuermann, § 48b EStG Rz 102 (Mai 2021); vgl aber auch: Ebling in Brandis/Heuermann, § 48 EStG Rz 209 (Mai 2021); aA Stickan/Martin, DB 2001, 1441; Apitz in H/H/R, § 48 EStG Rz 22 (November 2018)). Dies gilt erst recht, wenn der Leistungsempfänger weiß, dass die vorliegende Freistellungsbescheinigung zwischenzeitlich aufgehoben worden ist.

 

Rn. 98

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Weitere ungeschriebene Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 48b Abs 5 EStG ist, dass die von dem Leistenden erbrachten Leistungen dem Grunde nach dem Steuerabzug unterliegen, also Bauleistungen iSv § 48 Abs 1 S 3 EStG sind. Nur wenn die vorliegende Freistellungsbescheinigung von einer bestehenden Steuerabzugsverpflichtung suspendiert, ist die entsprechende Anwendung des § 48 Abs 4 EStG gerechtfertigt. Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn nur ArbN überlassen werden (s § 48 Rn 104 (Wienbergen)).

 

Rn. 99

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Wird von dem Leistenden eine gefälschte Freistellungsbescheinigung vorgelegt und nimmt der Leistungsempfänger im Vertrauen auf diese Bescheinigung keinen Steuerabzug vor, kann er sich nicht auf die Erleichterungen gemäß § 48b Abs 5 EStG iVm § 48 Abs 4 EStG berufen. Dies ergibt sich aus der Unanwendbarkeit der Gutglaubensvorschrift des § 48a Abs 3 S 2 EStG im Rahmen von § 48b Abs 5 EStG (s Rn 97). Wird in der gefälschten Freistellungsbescheinigung über die Person des Leistenden getäuscht, besteht die Gefahr, dass die FinVerw die Gegenleistung steuerlic...

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