Rn. 300

Stand: EL 147 – ET: 11/2020

Das Gesetz regelt zusammengefasst die grundsätzliche abgeltende Wirkung für die Einkünfte aus KapVerm, die dem Steuerabzug unterlegen haben. Es führt dann die Ausnahmen nochmals ausdrücklich an, die an anderer Stelle zu Gunsten und zu Ungunsten des StPfl geregelt sind.

Leider ist jedoch die Frage ausgesprochen strittig, unter welchen engeren Voraussetzungen die KapErtr dem Steuerabzug "unterlegen haben". Der Blick in das Gesetz liefert nicht unbedingt Erhellendes: Der § 32d Abs 3 EStG definiert den Begriff auch nicht näher. Der BMF erläutert in seinem Schreiben zur AbgSt (BMF v 18.01.2016, BStBl I 2016, 85 Rz 144) immerhin, dass es sowohl rechtliche als auch tatsächliche Gründe geben kann, aus denen stpfl KapErtr nicht dem KapSt-Abzug "unterlegen" haben. Nach § 36 Abs Nr 2 EStG wird die "durch Steuerabzug erhobene" ESt angerechnet. Beides ist offenbar nicht das Gleiche. Der § 43 Abs 5 EStG verlangt jedenfalls mehr als der § 2 Abs 1 S 1 Nr 5 EStG, wonach die Einkünfte aus KapVermögen der ESt "unterliegen".

Nach § 44 Abs 5 EStG haften die Abzugsverpflichteten, wenn sie die KapSt nicht "einbehalten und abgeführt" haben.

Der BFH steuert in einem Urteil aus einer Zeit vor cum/ex und cum/cum den Gedanken bei, dass eine "ordnungsgemäße" Einbehaltung der KapSt bereits dafür ausreicht, dass sie iSd § 36 Abs 2 Nr 2 EStG "erhoben" ist, auch wenn sie nicht an das FA abgeführt wird (BFH v 23.04.1996, VIII R 30/93, BFH/NV 1996, 364). Noch weiter geht das FG Nbg v 11.10.2017, 3 K 348/17, EFG 2018, 117, sowie seinem Urteil FG Nbg v 11.11.2019, 5 K 1283/18, DStRE 2020, 964, wonach die Abgeltungswirkung des § 43 Abs 5 S 1 Hs 1 EStG selbst dann eintreten soll, wenn die KapSt nur zum Schein einbehalten worden sei. Anmeldung der KapSt und Abführung seien für die Abgeltungswirkung nicht erforderlich. Man fragt sich, welche Vorstellung das FG Nürnberg davon hat, dass etwas "der Steuer unterlegen hat" (so auch Weiss, DStRK 2018, 72 aE). Danach würde jede freihändig gefälschte Steuerbescheinigung den Gläubiger der KapErtr zur Anrechnung berechtigen. Nach dieser Logik hätte dann auch in dem Fall des FG Nds v 23.05.2018, 10 K 190/16, EFG 2019, 1084( der zu Unrecht ausgewiesene KapSt-Abzug der Gläubigerin die Anrechnung nie einbehaltener nicht gezahlter KapSt auf Scheinrenditen eines Schneeballsystems die Steueranrechnung ermöglicht werden müssen (so wohl Oletic, DStRK 2019, 235). Demgegenüber leitet das FG Mchn v 27.10.2017, 2 K 956/16 unter 2.4 aus dem Wortlaut "unterlegen haben" die Annahme ab, dass mangels eines Einbehalts der KapSt eine Erklärungspflicht nach § 32d Abs 3 EStG folgt.

Der BFH wird Gelegenheit haben, in dieser Frage Klarheit zu schaffen, denn sowohl gegen das Urteil des FG Nds als auch die Urteile des FG Nbg ist Revision zugelassen worden (BFH VIII R 42/18, BFH VIII R 17/17 und BFH VIII R 3/20). Letztlich läuft es auf die Frage hinaus, ob der Gläubiger der KapErtr den Anrechnungsanspruch bereits erworben hat, wenn die auszahlende Stelle ihm nur den Nettobetrag gezahlt hat.

Es sei hier noch einmal daran erinnert, dass auf Grund der Systematik der AbgSt die Kreditinstitute als Organe der Steuererhebung anzusehen sind, die die Rechtsauffassung der FinVerw hinsichtlich des KapSt-Einbehalts anzuwenden haben (vgl BT-Drucks 17/3549, 6; BMF v 18.01.2016, BStBl I 2016, 85). Mit dem SteuerÄndG 2015 (BGBl I 2015, 1834) ist eine entsprechende gesetzliche Klarstellung erfolgt (§ 44 Abs 1 S 3 EStG). Erhebt das FA selbst eine Steuer, so ist diese erst dann gezahlt, wenn der geschuldete Betrag auf dem Konto des FA eingegangen ist. Die Zwischenschaltung eines Inkasso-Beauftragten (Kreditinstitut) ändert an dieser Beurteilung nichts.

 

Rn. 301

Stand: EL 147 – ET: 11/2020

Haben die KapErtr der KapSt unterlegen, soll es bei dem dem Gesetz entsprechenden Steuerabzug für die Einkünfte aus KapVerm sein Bewenden haben. Dies gilt auch in den Fällen, bei denen es Unterschiede zwischen einem gesetzeskonformen Steuerabzug und der materiellrechtlichen Regelung gibt. Dies gilt eindeutig für den Fall des Ansatzes der Ersatzbemessungsgrundlage durch die inländische auszahlende Stelle, die der Höhe nach deutlich vom Gewinn iSd § 20 Abs 4 EStG abweichen kann. Allerdings kann das bewusste Herbeiführen des Ansatzes der Ersatzbemessungsgrundlage durch Übertragung der Kapitalanlage auf ein Inlandsdepot kurz vor der Veräußerung als rechtsmissbräuchlich einzustufen sein. ME tritt auch in den Fällen des § 43 Abs 1a EStG die Abgeltungswirkung ein.

 

Rn. 302

Stand: EL 147 – ET: 11/2020

Soweit § 32d Abs 2 EStG auch für Einkünfte aus KapVerm die Festsetzung zum individuellen Steuersatz durch das FA vorgibt, kann logischerweise die Abgeltungswirkung nicht eintreten. Diese Ausnahme kann zum Nachteil oder zum Vorteil des StPfl sein.

 

Rn. 303

Stand: EL 147 – ET: 11/2020

Nur zum Vorteil des StPfl ist die Abweichung von der Abgeltungswirkung nach § 43 Abs 5 S 3 EStG, wenn der StPfl selber die besondere Besteuerung der KapErtr nach § 32d Abs 4 oder 6...

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