Rn. 911

Stand: EL 85 – ET: 11/2009

Die vorstehenden abstrakten Begriffsdefinitionen mit ihren Auswirkungen lassen sich auf folgende "Faustformel" zurückführen:

- Mindervermögen in der HGB-Bilanz gegenüber StB: aktive Latenz.
- Mehrvermögen in der HGB-Bilanz gegenüber StB: passive Latenz.

Dazu folgende Beispielsfälle (nach Hoffmann/Lüdenbach, NWB-Kommentar Bilanzierung 2009, § 274 Rz 14) mit einem unterstellten Steuersatz von jeweils 30 %:

 

Beispiel 1:

Die G-GmbH verkauft unter dem Regelungsbereich des § 6b EStG ein unbebautes Grundstück und stellt den Veräußerungsgewinn von 60 in der StB in eine Rücklage nach § 6b EStG ein. In der HB beträgt der Buchwert dieser Rücklage Null. Es besteht ein Mehrvermögen in der HB von 60, der Steueraufwand ist zu niedrig ausgewiesen, also ist ein latenter Steueraufwand von 18 passiv abzugrenzen.

Im nächsten Jahr erwirbt G ein Ersatzgrundstück mit AK von 100 und überträgt auf dieses in der StB die Rücklage nach § 6b EStG. Der steuerliche Buchwert beträgt dann 40, der handelsrechtliche 100. Es verbleibt bei der passiven Latenz von 18.

 

Beispiel 2:

Die G-GmbH hat zum 01.01.00 von einem Konkurrenten eine Zweigniederlassung mit AK von 1 000 erworben. Darin ist ein Firmenwert von 1 000 enthalten. Über die Höhe des Firmenwertes besteht Einvernehmen mit dem FA. Die G schreibt handelsrechtlich den Firmenwert über 10 Jahre ab, Buchwert also zum 31.12.01 900. Steuerlich gilt die Nutzungsfiktion von 15 Jahren, Abschreibung also 67. Im Buchwertunterschied von 33 ist eine aktive Steuerlatenz von 10 enthalten. Im Verhältnis zum ausgewiesenen handelsrechtlichen Ergebnis ist insoweit der laufende Steueraufwand zu hoch. Im Zeitverlauf wird sich dieser Unterschied umdrehen, und zwar beginnend nach dem 10. Nutzungsjahr, weil dann handelsrechtlich nichts mehr abzuschreiben ist, wohl aber noch 5 Jahre steuerlich.

Das Berechnungsbeispiel zeigt: In den ersten zehn Jahren erhöht sich gleichbleibend die aktive Latenz um 10 bis zum Erreichen des handelsrechtlichen Buchwertes von Null mit der Folge einer Latenz von 100, die dann bis zum Ende des steuerlichen Abschreibungszeitraumes ihrerseits auf Null reduziert wird.

Aus anderem Blickwinkel zeigt die Auswertung: Zum 31.12.01 bzw im Geschäftsjahr 01 "passt" der Steueraufwand nicht zum handelsrechtlichen Ergebnis vor Steuern. Dieses ist ceteris paribus um 33 niedriger als das Steuerergebnis, woraus sich folgende Berechnung ableiten lässt:

 
HB-Ergebnis 01 900  
StB-Ergebnis 933  
Erwartete Steuer   270
StB-Ergebnis 01 933  
Tatsächliche Steuer   280
Aktive Latenz (Ertrag) 30 % von 33 %   10
Steuerausweis in der HB-GuV (= 30 % von 900)   270
 

Beispiel 3:

Die G-GmbH zahlt jährlich 250 an Miete auf restlich vier Jahre für eine nicht mehr genutzte Verkaufsfiliale und muss deshalb eine steuerlich nicht anzuerkennende (§ 5 Abs 4a EStG) Drohverlustrückstellung bilden. Das handelsbilanzielle Vermögen ist im Zugangsjahr 01 um 1 000 niedriger als in der Steuerbilanz ausgewiesen mit der Folge einer aktiven Latenz. Diese mindert sich in den vier Jahren bis zum Ablauf des Mietvertrages entsprechend. Dazu folgende Tabelle:

 
HB-Ergebnis 01 0  
StB-Ergebnis 01 1 000  
Erwartete Steuer HB   0
laufende Steuer   300
Steuerertrag aus aktiver Latenz   ./. 300
Steuerausweis in der HB-GuV 01   0
 

Beispiel 4:

Wegen abweichenden Rechnungszinsfußes für Pensionsrückstellungen einer neu installierten betrieblichen Altersversorgung ergeben sich folgende Abweichungen zwischen HB u StB.

 

Beispiel 5:

Nach HGB wird eine Maschine linear mit 10 %, nach EStG mit 20 % degressiv abgeschrieben.

Die Steuerlatenz zeigt sich wie folgt:

- Zunächst passive Latenz, da HGB-Vermögen höher und daher Steueraufwand zu niedrig war.
- Nach "Umschlag" des jährlichen Abschreibungsbetrages wird die passive Latenz sukzessive aufgelöst.
 

Rn. 911a

Stand: EL 85 – ET: 11/2009

Fälle einer passiven Steuerlatenz

Fälle einer passiven Steuerlatenz sind zunehmend im Gefolge überraschender BFH-Urt (nach Rechtslage vor dem BilMoG) festzustellen.

 

Beispiel 1 (nach BFH v 04.06.2008, I R 84/07, DStR 2008, 1870 mit Anm Hoffmann):

Die G-GmbH nimmt in 01 eine Sonderabschreibung auf HK eines Gebäudes nach § 4 FördG in Anspruch. Dazu muss diese Abschreibung in der HB nach der Rechtslage vor Einführung des BilMoG vorgreiflich nach § 5 Abs 1 S 2 EStG diese Abschreibung angesetzt werden. In 02 nimmt die G in der HB eine Zuschreibung auf die regulär fortgeführten HK vor, vollzieht diese aber in der StB nicht nach. Der BFH hat diese Bilanzierung bestätigt, die sich buchmäßig wie folgt darstellt:

Die passive Latenz ist erst ratierlich mit 6 (Steuersatz 30 %) aufzulösen, wenn der Buchwert in der Handelsbilanz Null erreicht hat.

Der Rechtsstreit im vorstehend dargestellten BFH-Fall hat sich konzeptionell auch durch den Wegfall der umgekehrten Maßgeblichkeit nach dem BilMoG erledigt. Die Abschreibungen in HB u StB sind jeweils autonom zu bestimmen.

 

Beispiel 2 (nach BFH v 26.09.2007, I R 58/06, BStBl II 2009, 294 ("Infineon-Aktien") mit Anm von Hoffmann, DB 20...

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