Rn. 486

Stand: EL 80 – ET: 08/2008

Das hier angesprochene Bilanzierungsproblem hat seinen ökonomischen Grund in dem physikalischen Phänomen der Zeit und dem menschlichen Phänomen der Unsicherheit oder besser Unkenntnis über künftige Entwicklungen. Diese Unsicherheit über die Zukunft wird indes unentwegt durch die Gegenwart eingeholt, dh das unsichere Ereignis tritt ein oder der Kenntnisstand über einen bestimmten Zustand – zB Preisentwicklung für Rohmaterial, Zahlungsfähigkeit des Schuldners – wächst im Zeitverlauf (Hoffmann in Lüdenbach/Hoffmann (Hrsg), Haufe IFRS-Praxis-Kommentar 6. Aufl. 2008, § 4 Rz 2). Andererseits muss die buchmäßige Erfassung von Geschäftsvorfällen irgendwann einmal – täglich, vierteljährlich, jährlich – angehalten werden, wenn das Ergebnis der Geschäftstätigkeit ermittelt werden soll. Eine solche zeitliche Grenzmarke ist auch in anderen Lebensbereichen üblich, wenn nicht zwingend:

- Die Steuererhebung endet mit dem Kj.
- Der Anspruch auf Altersrente endet mit dem Kalendermonat, dh im Todesfall am 31.03. endet der Rentenanspruch im März, im Todesfall am 01.04. dagegen erst im April.
- Der Anspruch auf Kindergeld wird bis zum Ende des Monats bezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen.

Dem Stichtagsprinzip haftet deshalb immer die Eigenschaft der Willkürlichkeit an. Werden zB börsengängige Aktien vererbt, wird deren Wert am Todestag des Erblassers bewertet, auch wenn der Kurs später im Zahlungszeitpunkt der Erbschaftsteuerschuld höher oder niedriger ist.

Auch bei der Bilanzierung – besser: bei der kaufmännischen Rechnungslegung gleich welcher Provenienz – kann sich diese Stichtagsaufnahme eines bestimmten Sachverhaltes (zB der Wert eines Aktienportefeuilles) sofort wieder anders darstellen, die Zeit läuft auch "buchhalterisch" weiter. Was gestern, am Bilanzstichtag, richtig war, ist möglicherweise einige Tage später falsch – wohlgemerkt: möglicherweise, aber nicht zwingend.

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