Rn. 55

Stand: EL 139 – ET: 10/2019

Betriebswirtschaftlich wird zwischen "Unternehmen" und "Betrieb" unterschieden. Die Unterscheidung ist dabei räumlich orientiert: Ein Unternehmen kann mehrere Betriebe haben, der "Betrieb" kann als örtliche Sachgesamtheit verstanden werden. Steuerlich kann diesem Unterscheidungsmerkmal nicht (ohne weiteres) gefolgt werden; der betriebswirtschaftlich verstandene "Betrieb" weist eher Gemeinsamkeiten mit dem steuerlichen Begriff der Betriebsstätte (§ 12 AO) auf.

Der Betriebsbegriff des § 4 EStG orientiert sich wesentlich an der Legaldefinition des Gewerbebetriebs in § 15 Abs 2 S 1 EStG (s § 15 Rn 3 (Bitz)). Aus der tatbestandlichen Anknüpfung an eine selbstständige, nachhaltige, mit Gewinnerzielungsabsicht unternommene Betätigung kann auch der Betrieb iSd § 4 EStG mit BFH v 13.10.1988, IV R 136/85, BStBl II 1989, 7 abgegrenzt werden als

Zitat

"die auf die Erreichung eines Arbeits- bzw produktionstechnischen Zweck gerichtete organisatorische Zusammenfassung personeller, sachlicher und anderer Arbeitsmittel zu einer selbstständigen Einheit".

Diese organisatorische Einheit schließt auch nicht bilanzierungsfähige Werte wie selbst erstellte Marken bzw den originären Firmenwert ein. Der "Betrieb" iSd § 4 EStG kann auch mehrere örtlich getrennte Wirtschaftseinheiten umfassen, wenn diese eine organisatorische Einheit bilden.

Die subjektiv-tätigkeitsbezogene Betrachtungsweise erlaubt es, bei einem StPfl mehrere Betriebe (ggf bestehend aus Teilbetrieben u/o Betriebsstätten) zu unterscheiden, wenn (sog enger Betriebsbegriff, im Einzelnen Wied in Blümich, § 4 EStG Rz 63f (November 2017)), wenn jede Einheit sachlich und organisatorisch abgrenzt ist u selbstständig geführt wird.

Bei bestehender Verflechtung der Betätigungen (wirtschaftlich, organisatorisch, finanziell, BFH v 09.08.1989, X R 130/87, BStBl II 1989, 901) liegt dagegen nur ein Betrieb vor (Merkmale: Art der Betätigung, Kunden- u Lieferantenkreis, Arbeitnehmerschaft, Geschäftsleitung, Betriebsstätten, Organisationsstruktur, örtliche Nähe, Finanzierung, Umfang/Zusammensetzung des Aktivvermögens). Für den mehrere Betätigungen umfassenden Betrieb ist im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden ist, welche Einkunftsart vorliegt.

 

Beispiele:

  • Einzelhandelsgeschäft u Betrieb einer Photovoltaikanlage sind selbstständige Betriebe, da insoweit ungleichartige Betätigungen vorliegen, die sich weder einander fördern noch ergänzen (BFH v 24.10.12, X R 36/10, BFH/NV 2013, 252)
  • Lebensmittelgeschäft, separater Verkaufsstand für Obst, Gemüse etc auf demselben Grundstück u auf der dahinter liegenden Grundstücksfläche einer Gärtnerei, deren Produkte überwiegend in der Gärtnerei u dem Verkaufsstand abgesetzt werden, sind ein einheitlicher Betrieb (BFH v 27.11.1980, IV R 31/76, BStBl II 1981, 518)

Erfolgen solche oder vergleichbare andere Tätigkeiten im Rahmen einer PersGes (Mitunternehmerschaft), liegt nur ein Gewerbebetrieb vor (BFH v 17.5.2018, VI R 66/15, BFH/NV 2018, 1315). Die Betrachtungsweise entspricht in dieser Hinsicht derjenigen für eine KapGes, die ebenfalls nur einen (Gewerbe-)Betrieb unterhalten kann, allerdings durchaus in Form mehrerer Teilbetriebe (BFH v 10.02.1989, III R 78/86, BStBl II 1989 II, 467).

 

Rn. 56

Stand: EL 139 – ET: 10/2019

Bedeutung hat die Abgrenzung des Betriebs insb im Hinblick auf betriebsbezogene Anzeigepflichten (zB §§ 138, 139 AO) u betriebsbezogene Buchführungspflichten (§ 141 AO, s Rn 303ff), die verwirklichte Einkunftsart (§§ 13, 15 EStG), die Gewinnermittlung(-sart), die für jeden Betrieb gesondert (zu bestimmen u) durchzuführen ist sowie im Hinblick auf die Veräußerung/Aufgabe des Betriebs. Eine zutreffende Zuordnung von WG zum Vermögen eines konkreten Betriebs gewährleistet im Veräußerungs-/Aufgabefall die begünstigte Aufdeckung stiller Reserven iRd §§ 14, 16 u 34 EStG.

 

Rn. 57

Stand: EL 139 – ET: 10/2019

Gewerbesteuerlich beginnt der Betrieb mit Aufnahme der werbenden Tätigkeit, einkommensteuerlich dagegen häufig schon früher mit Vorbereitungshandlungen, die durch die spätere werbende Tätigkeit veranlasst sind (BFH v 26.11.1993, II R 58/98, BStBl II 1994, 293; im Einzelnen s § 15 Rn 3a (Bitz); Wied in Blümich, § 4 EStG Rz 65 (Februar 2019). Damit in Zusammenhang stehende Aufwendungen sind vorweggenommene BA bzw AK/HK-Bestandteile des begründeten BV (s Rn 1630). Typische Bsp sind Beratungs- und Planungskosten sowie Aufwendungen für die Berufsausbildung, für die der Abzug durch § 4 Abs 9 EStG nicht versagt wird, dh Aufwendungen für eine Berufsausbildung o ein Studium, das nicht als Erstausbildung einzuordnen ist (zur Frage der Verfassungskonformität des Abzugsverbots von Erstausbildungskosten als WK BFH v 17.07.2014, VI R 2/12, BFH/NV 2014, 1954, Az BVerfG 2 BvL 24/14).

Die Beendigung des Betriebes ist nicht zwingend mit der Einstellung der werbenden Tätigkeit verbunden. Ein Betrieb ist erst dann im einkommensteuerlichen Sinn beendet, wenn die letzte Abwicklungshandlung, die zur Betriebsauflösung f...

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