a) Rechtslage nach der neuen Rspr des GrS vom 21.09.2009

 

Rn. 1685

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Die Entscheidung des GrS des BFH vom 21.09.2009, GrS 1/06, BStBl II 2010, 672, wonach § 12 Nr 1 S 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot normiert und wonach eine Aufteilung gemischter Aufwendungen erfolgen kann, ist zu Reisekosten ergangen. Diese Entscheidung ist aber auch auf gemischt veranlasste Bewirtungskosten anzuwenden.

Damit ist die bisherige Rspr zur Abgrenzung von Bewirtungskosten zu Aufwendungen der allgemeinen Lebensführung obsolet (konkret zu § 4 Abs 5 S 1 Nr 2 EStG BMF vom 06.07.2010, BStBl I 2010, 614; Leisner-Egensperger, DStZ 2010, 673; allgemein s Spindler in Festschrift für Joachim Lang, Köln 2010, 597f; Kanzler in Nacke/Kanzler, StRA 2/2010, 32; Fischer, NWB 2010, 417;). Folgt man uE zu Recht dieser neuen Richtschnur, so lassen sich für die Bewirtungskosten folgende Grundsätze feststellen.

Zunächst bestehen keine Bedenken, grundsätzlich von einer Aufteilungsmöglichkeit bei Bewirtungskosten genauso wie bei Reisekosten auszugehen (Leisner-Egensperger, DStZ 2010, 673, 676).

(1)

In einem ersten Schritt dürfte nun festzustellen sein, in welchem Umfang die Bewirtungsaufwendungen betrieblich oder privat veranlasst sind. Bei dieser Beurteilung dürfte die bisherige Differenzierung der Rspr nur noch dazu herangezogen werden können, ob die Aufwendungen in einem bestimmten Verhältnis der privaten oder betrieblichen Sphäre zuzuordnen sind. Die hier vom BMF vorgeschlagene Differenzierungsmöglichkeit der Aufteilung nach Köpfen (BMF BStBl I 2010, 616 Tz 15 und Bsp 2) dürfte die Veranlassungsbeiträge pragmatisch und einfach widerspiegeln:

 

Beispiel:

Neben zehn Geschäftsfreunden nehmen an der Bewirtung aus Anlass des Betriebsjubiläums auch zehn Personen aus dem Privatbereich teil.

Der betriebliche Anteil bemisst sich daher mit 50 %.

  • Ist eine Aufteilung nicht möglich (auch nicht aufgrund einer Schätzung), entfällt auf dieser Stufe die Abzugsmöglichkeit mangels objektiver Aufteilungskriterien (vgl BFH BStBl II 2010, 672 Tz 96; FG Köln EFG 2012, 590 zu Kosten einer akademischen Feier mit Anm Pfützenreuter; Spindler in Festschrift für Joachim Lang, Köln 2010, 598).
  • Liegt der betriebliche Anteil unter 10 % (= untergeordnete betriebliche Mitveranlassung), entfällt ein BA-Abzug im vollen Umfang.
  • Liegt der private Anteil unter 10 % (= untergeordnete private Mitveranlassung), kommt ein voller Abzug der Aufwendungen in Betracht (ebenso BMF BStBl I 2010, 614 Tz 11; vgl auch BFH BStBl II 2010, 672 Tz 97; Spindler in Festschrift für Joachim Lang, Köln 2010, 597).

Die abstrakt hier dargestellte Differenzierung kann jedoch im konkreten Einzelfall schwierig sein (s FG RP EFG 2009, 9, wonach eine Aufteilung nach Köpfen abgelehnt wurde mwN).

(2) Auf einer zweiten Stufe sind von den so ermittelten betrieblich veranlassten Aufwendungen 70 % als BA anzuerkennen (s Bsp 2 bei BMF BStBl I 2010, 614 Tz 15).
 

Rn. 1686

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Unabhängig von der genannten Aufteilungsmöglichkeit kann im Einzelfall trotz fehlender Aufteilungsmöglichkeit (zB die Teilnehmer sind jeweils privat und geschäftlich mit dem StPfl verbunden) ein dienstlicher bzw betrieblicher Zusammenhang bestehen (vgl auch Drüen in Brandis/Heuermann, § 4 EStG Rz 726 (Dezember 2022) mit Hinweisen auf Rspr).

Aufwendungen für die Bewirtung von Gästen aus Anlass eines in der privaten Sphäre des Einladenden liegenden persönlichen Ereignisses (zB Geburtstag, Hochzeit, privates Jubiläum oder auch Amtseinführung) sind grundsätzlich Kosten der Lebensführung; sie sind nach § 12 Nr 1 S 2 EStG auch dann nicht abzugsfähig, wenn sie zugleich der Förderung des Betriebs bzw des Berufs oder seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung dienen. Dies gilt für Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger freiberuflicher Tätigkeit oder aus nichtselbstständiger Tätigkeit gleichermaßen.

Handelt es sich aber um ein Kanzleijubiläum, wird der betriebliche Zusammenhang bejaht (FG Brandenburg vom 20.06.2007, 1 K 1377/03 B, DStRE 2008, 265; Dikem, NJW 2013, 1143; s aber FG BBg EFG 2011, 2012, wonach bei einem Zusammentreffen des Firmenjubiläums und eines persönlichen runden Geburtstages des Gesellschafters kein betrieblicher Zusammenhang anerkannt werden kann).

Allerdings kann sich trotz eines herausgehobenen persönlichen Ereignisses aus den übrigen Umständen des einzelnen Falls ergeben, dass die Kosten für die Feier eines ArbN ausnahmsweise ganz oder teilweise beruflich veranlasst sind (BFH BStBl II 2007, 459; 2017, 409; BFH/NV 2014, 500). Dies ist insbesondere möglich, wenn die Feier nicht in erster Linie der Ehrung des Jubilars und damit nicht der repräsentativen Erfüllung gesellschaftlicher Konventionen, sondern dem kollegialen Miteinander und daher der Pflege des Betriebsklimas dient, der Jubilar mit seiner Einladung der Belegschaft (den Kolleginnen und Kollegen) Dank und Anerkennung zollt oder gefestigten betrieblichen Gepflogenheiten Rechnung trägt (BFH BStBl II 2017, 409).

Der BFH ist insoweit der Ansicht, dass der Anlass ein...

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