Rn. 840

Stand: EL 134 – ET: 02/2019

Aus Sicht des allg Sprachgebrauches werden Schulden und Verbindlichkeiten synonym verwandt, ähnlich verfährt das Schuldrecht in den §§ 366, 367 u 371 BGB einerseits und § 257 u § 762 BGB andererseits. Dem schließt sich auch das HGB im bilanzrechtlichen Teil an, wenn es in § 247 Abs 1 HGB von Schulden und (zB) in § 266 Abs 3 HGB von Verbindlichkeiten spricht. Aus Sicht des bilanzrechtlichen Teils des HGB kann man allerdings die Schulden auch als Oberbegriff zu Rückstellungen (s Rn 860) einerseits und Verbindlichkeiten andererseits sehen (Metze/Lippek, Beck HdR B 234 Rz 1). Steuerlich ist nur der Begriff Verbindlichkeiten geläufig. Zu der Verbindlichkeitsrückstellung besteht das Unterscheidungsmerkmal in der "Ungewissheit" (s Rn 860, 869) mit "fliegenden" Übergängen im Einzelfall.

Nach der Definition des BFH BStBl II 1999, 359; 1992, 257 liegt eine Verbindlichkeit im bilanzrechtlichen Sinne dann vor, wenn der Unternehmer eine Verpflichtung gegenüber einem Dritten hat, die nach Inhalt und Höhe bestimmt und erzwingbar ist und eine wirtschaftliche Belastung darstellt.

In HB u StB (Maßgeblichkeitsprinzip, s Rn 325) sind entsprechende Schuldposten als Verbindlichkeiten anzusetzen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (Schmidt/Weber-Grellet, § 5 EStG Rz 311, 26. Aufl):

- betriebliche Veranlassung (§ 4 Abs 4 EStG);
- Gewissheit und Quantifizierbarkeit am Bilanzstichtag;
- wirtschaftliche Begründung der Verpflichtung im abgelaufenen Wj oder in Vorjahren;
- Bekanntsein bis zur Bilanzerstellung.

Nicht erforderlich (für den Bilanzansatz) ist die Fälligkeit (BFH BStBl II 1984, 747) und die Zahlungsfähigkeit des Schuldners (BFH BStBl II 1993, 747). Außerdem ist nicht immer das rechtliche Bestehen der Verbindlichkeit bis zum Bilanzstichtag zwingend. Es kann auch eine sog wirtschaftliche Entstehung genügen. Dabei ist nicht eine Art "rechtsfreier Raum" zu unterstellen – wie generell bei der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (s Rn 415). Fallen Zeitpunkt der rechtlichen und wirtschaftlichen Entstehung auseinander, ist der frühere Zeitpunkt für den Bilanzansatz maßgebend (BFH BStBl II 1970, 104).

 

Rn. 841

Stand: EL 134 – ET: 02/2019

Nicht passiviert werden dürfen

- Verbindlichkeiten aus schwebenden Geschäften (s Rn 471). Ausnahmen: als Vorleistungen erbrachte Anzahlungen, s Rn 846 oder Erfüllungsrückstände (BFH BStBl II 1988, 886);
- Verpflichtungen die, ohne verjährt zu sein, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden müssen (Bsp jahrzehntelang nicht bewegte Sparbücher, BFH BStBl II 1997, 320; Ehmcke, DStZ 1995, 693);
- Verbindlichkeiten, bei denen von der Berufung des Schuldners auf deren Verjährung auszugehen ist (BFH BStBl II 1993, 543);
- aufschiebend bedingte Verbindlichkeiten, die in der Zukunft entstehen, vor Eintritt der Bedingung (BFH BStBl II 1992, 488/89, aber s Rn 842);
- die auf die Laufzeit der Verbindlichkeit (zB Darlehen) entfallenden Zinsen, da insoweit ein schwebendes Geschäft vorliegt (s Rn 471), wohl aber Zahlungsrückstände für Zinsen;
- Verbindlichkeiten, die nur aus künftigen Gewinnen oder Umsätzen zurückzuzahlen sind (s Rn 917);
 

Rn. 842

Stand: EL 134 – ET: 02/2019

Bei bedingten Verbindlichkeiten ist wie folgt zu unterscheiden (Schmidt/Weber-Grellet, § 5 EStG Rz 314, 26. Aufl):

- aufschiebend bedingte Entstehung: Eine künftig entstehende Verbindlichkeit ist bis dahin nicht bilanzierbar (Bsp: Rückzahlung aus Besserungsscheinen), es sei denn, der Eintritt der Bedingung ist wahrscheinlich, so der BFH BStBl II 1992, 488 für den Fall eines öff Zuschusses, der bei Nichtbeachtung der Auflage – hier Aufrechterhaltung eines Arbeitsplatzes für einen Schwerbehinderten – zurückzuzahlen war;
- auflösend bedingte Entstehung: Eine Verbindlichkeit, die später wegfallen kann, ist bis zum Bedingungseintritt bilanzierbar.
 

Rn. 843

Stand: EL 134 – ET: 02/2019

Unstrittig kann die zu bilanzierende Verbindlichkeit auf eine Geld-, Sach- oder Dienstleistung gerichtet sein, und das ist für die bilanzielle Behandlung dem Grunde nach ohne Bedeutung.

 

Rn. 844

Stand: EL 134 – ET: 02/2019

Eine gewinnabhängige Leistungsvergütung steht der Passivierung als FK nicht entgegen (Bsp: Genussrechtskapital, stille Gesellschaft, partiarisches Darlehen). Handelsrechtlich wird seitens des IDW (HFA 1/1993 sowie 1/1994) unter bestimmten Voraussetzungen der Ausweis solcher hybriden Finanzierungsformen (s Rn 1105ff) als EK für zutreffend erachtet, und zwar insb bei Verlustübernahmeverpflichtung des Gläubigers bzw Gesellschafters. Für steuerliche Zwecke kann dem nicht gefolgt werden, es liegt FK vor (Groh, BB 1995, 559). ME gilt dies auch für sog perpetuals, also Anleihen ohne förmliches Kündigungsrecht des Gläubigers. Solche Schuldtitel sind nur platzierbar, wenn die nach Ablauf von zB 10 Jahren zu zahlenden (akzelerierenden) Zinsen der Höhe nach die Kündigung durch den Schuldner als sicher erscheinen lassen (wirtschaftliche Zwangslage).

 

Rn. 845

Stand: EL 100 – ET: 08/2013

Zur Schuldübernahme und z...

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