Rn. 1683

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

§ 4 Abs 5 S 1 Nr 2 EStG gilt seit 1975. Nach dieser Vorschrift können Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass bis zu einem bestimmten Prozentsatz des angemessenen und der Höhe und betrieblichen Veranlassung nach nachgewiesenen Teils dieser Aufwendungen als BA abgezogen werden. Von den Beschränkungen ausgenommen ist die zB durch Hoteliers berufsmäßig und in Gewinnerzielungsabsicht vorgenommene Bewirtung (§ 4 Abs 5 S 2 EStG). Allerdings gilt dies nicht, wenn anlässlich einer Eröffnung eines solchen Betriebes kostenlos Speisen und Getränke gereicht werden. In diesem Fall handelt es sich um Geschenke iSv § 4 Abs 5 S 1 Nr 1 EStG.

Die Höhe des BA-Abzugs der dem Grunde nach anzuerkennenden Aufwendungen wurde im Jahr 2003 herabgesetzt. Wurden früher 80 % der Aufwendungen als BA anerkannt (bis VZ 2003), werden ab 01.01.2004 nur 70 % der Aufwendungen zum BA-Abzug zugelassen (HBeglG vom 29.12.2003, BGBl I 2003, 3076; bestätigende Regelung BGBl I 2011, 554).

Da die in der Vorschrift genannten Aufwendungen, soweit sie über das angemessene Maß und über 70 % hinausgehen, hauptsächlich der Lebensführung dienen, bestehen materiellrechtlich auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese typisierende Regelung (BVerfG HFR 2019, 313; ebenso Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021 Rz 8.292). Ob aber der Gesetzgeber eine weitere erhebliche Reduzierung des Prozentsatzes (zB auf 50 %) vornehmen darf, dürfte fraglich sein. Der private Ernährungsaufwand dürfte mE typisierend nicht auf 50 % der Aufwendungen bestimmt werden können, wenngleich dies zwar im Einzelfall angenommen werden kann.

Es bestehen aber verfassungsrechtliche Bedenken in formeller Hinsicht. Wegen formeller Verfassungswidrigkeit der Änderungen der Vorschrift (statt 80 % nun 70 %) durch das HBeglG 2004 (BGBl I 2003, 3076) war ein Vorlagebeschluss des FG BdW beim BVerfG anhängig (FG BdW vom 26.04.2013, 10 K 2983/11 Az BVerfG 2 BvL 4/13), entschieden durch Beschluss des BVerfG vom 11.12.2018, 2 BvL 4/11, 2 BvL 5/11, 2 BvL 4/13, BFH/NV 2019, 381 (§ 4 Abs 5 S 1 Nr 2 S 1 EStG idF HBeglG 2004 ist unter Überschreitung der durch Art 20 Abs 2, Art 38 Abs 1 S 2, Art 42 Abs 1 S 1 und Art 76 Abs 1 GG den Kompetenzen des Vermittlungsausschusses gesetzten Grenzen zustande gekommen und deshalb mit dem GG unvereinbar. Die Vorschrift bleibt bis zum Inkrafttreten von § 4 Abs 5 S 1 Nr 2 S 1 EStG idF Art 1 Nr 2 Buchst b des Gesetzes zur bestätigenden Regelung verschiedener steuerlicher und verkehrsrechtlicher Vorschriften des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vom 05.04.2011, BGBl I 2011, 554) anwendbar). Diese potenziell formelle Verfassungswidrigkeit betrifft aber nur die Zeiträume vor Inkrafttreten des Bestätigungsgesetzes zum HBeglG 2004 (BGBl I 2011, 554) am 05.04.2011.

Die Verwaltung hat auf dieses Verfahren reagiert und für die VZ 2004 bis VZ 2010 die Voraussetzungen für eine Verfahrensruhe nach § 363 AO und der Gewährung von Aussetzung der Vollziehung (AdV) bejaht (OFD Koblenz vom 03.06.2014, S 0622 A-St 35 1).

 

Rn. 1684

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Zu den Bewirtungsaufwendungen iSd § 4 Abs 5 S 1 Nr 2 EStG gehören aber nicht diejenigen Bewirtungsaufwendungen, die im Leistungsaustausch vergütet werden (BFH BFH/NV 2014, 347; BStBl II 2018, 750 zur Bewirtung von Busfahrern durch Autobahnraststätten als Gegenleistung für das Zuführen von potentiellen Kunden; s auch Anm Bleschick, EStB 2018, 407). Die Abgrenzung ist schwierig, da Bewirtungsaufwendungen häufig auch deshalb erfolgen, um als "Gegenleistung" zB Geschäftsabschlüsse zu erreichen.

Das bedeutet aber nicht, dass nur unentgeltliche Bewirtungsaufwendungen erfasst werden. Es können auch entgeltliche Bewirtungsleistungen erfasst werden, wenn von dem Bewirteten kein unmittelbar auf die Bewirtungsleistung bezogenes Entgelt verlangt wird (BFH BFH/NV 2013, 1561). Werden zB Bewirtungsaufwendungen in die Seminargebühren mit eingerechnet, so handelt es sich nicht um Bewirtungsaufwendungen, die nach § 4 Abs 5 S 1 Nr 2 EStG gekürzt werden (BFH BFH/NV 2014, 347; R 4.10 Abs 5 S 6 und 7 EStR 2012). Es können die Aufwendungen im vollen Umfang abgezogen werden. Das FG D'dorf EFG 2001, 731 hat daher in einer Entscheidung zu Recht Bewirtungsaufwendungen eines Vertriebsunternehmens für medizinische Geräte für an Kundenschulungen teilnehmende Mitarbeiter der Kunden zum vollen Abzug zugelassen, weil die Bewirtungskosten als Teil der vertraglich geschuldeten Leistung angesehen wurden. Dies wurde jedoch nicht für die Abschlussbewirtung, die am Schluss der Schulung den Mitarbeitern zugutekam, gesehen, da sie nicht vertraglich geschuldet war.

Die Regelung des § 4 Abs 5 S 1 Nr 2 EStG wird gemäß § 9 Abs 5 EStG entsprechend bei den WK angewandt.

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