a) Einführung zu § 4 Abs 4a EStG

 

Rn. 1655

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Der § 4 Abs 4a EStG ist durch das StEntlG 1999/2000/2002 eingefügt worden. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber auf die Entwicklung der Rspr zum Schuldzinsenabzug in "rechtsprechungsüberholender Weise" (Bode in Kirchhof/Seer, § 4 EStG Rz 187 (22. Aufl 2023)) reagiert. Vorausgegangen waren zwei bedeutende Entscheidungen des GrS des BFH:

Mit dem Kontokorrentkontobeschluss hatte der GrS des BFH BStBl II 1990, 817 bei gemischten Kontokorrentkonten eine Aufteilung der Schuldzinsen nach der Zinszahlenstaffelmethode entsprechend dem betrieblichen und privaten Entstehungsgrund der Schuld zugelassen, wobei vor allem von Bedeutung war, dass der Konteninhaber bestimmen kann, dass durch die gutgeschriebenen Einnahmen zunächst die Entnahmen, dh der private Teil der Schuld, getilgt wird.

 

Rn. 1655a

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Mit dem Kontentrennungsbeschluss hat der GrS des BFH BStBl II 1998, 193 das Zwei- oder Mehrkontenmodell bestätigt. Dies ist vom Prinzip her so gestaltet, dass die BE und die Entnahmen auf einem Konto und der Finanzierungsbedarf über ein anderes Konto gedeckt wird, indem alle BA durch ein Kontokorrent-Darlehen finanziert werden. Danach können bei entsprechender Kontengestaltung die BE für private Zwecke entnommen werden, ohne dass der Schuldzinsenabzug aus der gleichzeitigen Kontokorrentfinanzierung der BA/WK beschränkt wird. Auch die Umschuldung der betrieblichen Kontokorrentschuld in einen langfristigen Kredit ist nicht schädlich.

 

Rn. 1655b

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Obwohl diese Regelung der bisherigen Rechtslage entsprach, hat es erhebliche Kritik mit der Begründung gegeben, dass die Möglichkeit besteht, private Schulden durch Umschichtung zu betrieblichen Schulden bzw private Schuldzinsen zu betrieblichen Kreditkosten zu machen (zB Wendt, FR 2000, 417; Pasch, DStZ 2000, 117). Entgegengetreten ist dieser Kritik Drenseck, DStZ 1998, 182, der darauf hinwies, dass für einen ArbN grds auch die Finanzierungsfreiheit gilt, und somit eine evtl Schlechterstellung nicht die Folge rechtlicher, sondern tatsächlicher Ungleichheit aufgrund unterschiedlicher Einkommensverhältnisse ist. Drenseck empfahl daher, zur Vermeidung von Ungleichheit nicht den Grundsatz der Finanzierungsfreiheit einzuschränken, sondern den allgemeinen Schuldzinsenabzug einzuführen. Entscheidende Grundlage für diese Rechtsauffassung ist die richtige Feststellung, dass es jedem Unternehmer grds freisteht, zu entscheiden, wie er sein Unternehmen finanziert (BFH BStBl II 1990, 817; 1998, 193). Der Finanzierungsfreiheit sind auch bei negativem Kapital keine Grenzen gesetzt (BFH BStBl II 1987, 328); aA Neufang, DB 1999, 765; Siegel, DStR 1998, 621; Herzig/Dinkelbach, BB 1999, 1136.

 

Rn. 1655c

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Die durch das StEntlG 1999/2000/2002 zunächst eingeführte gesetzliche Regelung zum Abzug von Schuldzinsen als BA/WK ging jedoch weit über das angekündigte Ziel, das Zwei- oder Mehrkontenmodell zu beseitigen, hinaus. Trotz gradueller Unterschiede hinsichtlich der Frage der Finanzierungsfreiheit auch bei negativem Kapital bestand in der Literatur völlige Einigkeit in der grundlegenden Kritik an der gesetzlichen Neuregelung. Einigkeit bestand auch darüber, dass unklare Begriffe und unscharfe Formulierungen zu unzutreffenden Ergebnissen führen werden und dass hinsichtlich der Anwendung die StPfl und die FinVerw vor kaum lösbaren Aufgaben stehen.

Veranlasst durch die grundlegende Kritik der Literatur, FinVerw, Verbände und politische Opposition erließ der Gesetzgeber iRd StBereinG 1999 vom 22.12.1999 (BGBl 1999, 2601) eine völlig neu konzipierte Vorschrift, die die bisherige Regelung ersetzte und auch schon für den VZ 1999 galt. Sie ist im Wesentlichen bis heute gültig. Sie dürfte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein. Weder verstößt die Regelung gegen formelles Verfassungsrecht, noch liegt eine unzulässige Rückwirkung vor (BFH BFH/NV 2006, 512; 2009, 920; 2012, 729; BStBl II 2006, 504; 2006, 588).

Die FinVerw hat zur Anwendung der gesetzlichen Neuregelung mit BMF vom 22.05.2000, BStBl I 2000, 588 Stellung genommen. An Stelle dieses Schreibens trat das Schreiben des BMF vom 17.11.2005, BStBl I 2005, 1019 mit Änderungen durch BMF vom 07.05.2008, BStBl I 2008, 588. Das Schreiben vom 17.11.2005 wurde durch das Schreiben des BMF vom 02.11.2018, BStBl I 2018, 1207 ersetzt. Diesem Schreiben folgten wiederum Änderungen durch das BMF vom 18.01.2021, BStBl I 2021, 119 und BMF vom 05.11.2021, BStBl I 2021, 2211.

Durch das StÄndG 2001 vom 20.12.2001, BGBl I 2001, 3794 ist die Neuregelung zur Vereinfachung und Klarstellung geändert worden. Nach der bisherigen Regelung des § 4 Abs 4a S 3 EStG aF waren Entnahmen und Einlagen, die in den letzten drei Monaten eines Wj getätigt wurden, nicht zu berücksichtigen. Diese Vorschrift wurde ersatzlos gestrichen. Weiterhin wurde geregelt, dass Über- und Unterentnahmen vorangegangener Wj unberücksichtigt bleiben (§ 52 Abs 11 S 2 EStG aF; jetzt § 52 Abs 6 S 7 EStG). Danebe...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge