Rn. 1

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Inhalt und Bedeutung

Durch die Festsetzung und Erhebung von Vorauszahlungen soll ein sicherer und gleichmäßiger Eingang der ESt erreicht werden (BFH BStBl II 2011, 607). Ferner wird die Liquiditätsbelastung der Bezieher nicht steuerabzugspflichtiger Einkünfte derjenigen StPfl angenähert, die dem Quellensteuerabzug durch LSt oder KapSt unterliegen. Die Festsetzung der Vorauszahlung ist eine vorläufige; sie betrifft eine zukünftige ESt, die der StPfl für den laufenden VZ "voraussichtlich schulden wird" (§ 37 Abs 1 S 1 EStG).

 

Rn. 2

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Abs 1 des § 37 EStG legt fest, wann die Vorauszahlungsschuld entsteht und wann die Vorauszahlungen fällig werden.

Abs 2 des § 37 EStG ermächtigte die OFD, für die bestimmte Gruppen von StPfl abweichende Fälligkeitstermine festzulegen. Die Vorschrift wurde durch das JStG 2009 v 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794) aufgehoben.

Abs 3 regelt das Festsetzungsverfahren und die Bemessungsgrundlage sowie die Anpassung von Vorauszahlungen.

Abs 4 regelt das Verfahren bei nachträglicher Erhöhung von Vorauszahlungen und bestimmt deren Fälligkeit.

Abs 5 legt bestimmte Schwellenwerte für die Festsetzung und die Erhöhung von Vorauszahlungen fest.

Abs 6 (neu eingefügt mW ab VZ 2014, s Rn 4a) bestimmt die pauschalierte Berücksichtigung von Beiträgen zur Kranken- und gesetzlichen Pflegeversicherung. Abs 6 ist zum 29.12.2020 wieder aufgehoben worden (s Rn 79a).

Zu den besonderen Corona-Maßnahmen s Rn 94.

 

Rn. 3

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Der Einfluss von Vorauszahlungen auf die unterjährige Liquidität verdeutlicht die wirtschaftliche Bedeutung der Norm für die StPfl. In der Praxis handelt es sich größtenteils um ESt-Vorauszahlungen für zu erwartende Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus selbstständiger Arbeit. Bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit und Kapitaleinkünften findet die zeitnahe Besteuerung durch LSt und KapSt (dazu auch s Rn 4) statt – ggf gleichzeitig mit Vorauszahlungen nach § 37 EStG, zB wenn ein Angestellter nebenher einen Gewerbebetrieb unterhält.

Seine Entsprechung findet § 37 EStG in §§ 1921 GewStG, in § 18 UStG und §§ 48, 49 KStG.

Verfassungsrechtlich ist die Erhebung von ESt-Vorauszahlungen unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes geboten, um die veranlagten StPfl den LSt-Zahlern gleichzustellen; aus fiskalischer Sicht ist diese Gleichbehandlung unerlässlich, um auf diese Weise durch zeitnahe Erhebung das Steueraufkommen zu sichern (zum Ganzen BFH BStBl II 1982, 105).

Vorauszahlungen auf die ESt sind grundsätzlich in vier gleich großen Teilbeträgen zu leisten (H 37 EStH 2021 "Verteilung von Vorauszahlungen"). Eine Ausnahme hiervon kommt insbesondere nicht in Betracht, soweit der StPfl geltend macht, der Gewinn des laufenden VZ entstehe nicht gleichmäßig. Das geltende Vorauszahlungssystem ist verfassungsgemäß (BFH BStBl II 2012, 329).

 

Rn. 4

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Verfahrensrechtlich sind Vorauszahlungsbescheide eigenständige Steuerfestsetzungsbescheide (§§ 155 Abs 1 S 1, 164 Abs 1 S 2 AO). Ein Vorauszahlungsbescheid verliert durch den Jahressteuerbescheid seine Wirksamkeit, da der Jahressteuerbescheid den Vorauszahlungsbescheid in seinen Regelungsgehalt aufnimmt. Der ESt-Bescheid bildet einen neuen Rechtsgrund für die Steuerzahlungen, so dass sich der ESt-Vorauszahlungsbescheid nach § 124 Abs 2 AO "auf andere Weise" erledigt hat (ausführlich und grundlegend dazu BFH BStBl II 2011, 607; s auch BFH BFH/NV 2015, 306).

Wird der Vorauszahlungsbescheid während eines gegen diesen anhängigen Klageverfahrens durch den ESt-Jahresbescheid ersetzt, wird der Jahresbescheid gemäß § 68 S 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens; die Anwendung des § 68 FGO schließt die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage gegen den Vorauszahlungsbescheid jedoch dann nicht aus, wenn die maßgebende Frage nur in einem Verfahren gegen einen Vorauszahlungsbescheid geklärt werden kann (zB ob es mit der Vorschrift des § 37 Abs 3 S 2 EStG vereinbar ist, wenn das FA regelmäßig Verluste aus Mitunternehmerschaften, die bei der letzten Veranlagung angesetzt worden waren, nicht der Bemessung der Vorauszahlungen zugrunde legt, zum Ganzen zutreffend BFH BFH/NV 2014, 361). Die Vorauszahlungen werden gemäß § 36 Abs 2 S 2 Nr 1 EStG auf die Jahressteuerschuld angerechnet (ausführlich zur Anrechnungsverfügung BFH BStBl II 2001, 133; s auch BFH BFH/NV 2012, 473; BFH/NV 2015, 1347).

Die Festsetzung negativer Vorauszahlungen ist unzulässig. § 37 EStG sieht nicht die Erstattung von einbehaltenen Steuerabzugsbeträgen (aus LSt und KapSt) vor. Das EStG enthält in § 36 Abs 4 EStG und § 42b EStG abschließende Erstattungsregelungen (hM, vgl nur FG BdW EFG 1976, 342 und FG Nds FG EFG 1994, 302; Gosch/Avvento in Kirchhof/Seer, § 37 EStG Rz 4 mwN, 20. Aufl).

Vorauszahlungen sind auch in steuerstrafrechtlicher Hinsicht Steuern, § 164 Abs 1 S 2 AO. §§ 370, 378 AO können daher eingreifen, wenn vorsätzlich oder leichtfertig falsche Tatsachen vorgetragen oder verschwiegen werden, ...

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