Rn. 108

Stand: EL 164 – ET: 04/2023

Die Begünstigung nach § 34 Abs 2 Nr 4 EStG iVm § 34 Abs 1 EStG gilt grds auch für Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit. Allerdings ist es bei dieser Einkunftsart nicht ungewöhnlich – zB bei einem RA oder Schriftsteller – dass zwar eine mehrjährige Tätigkeit entlohnt wird, aber dennoch lfd Einkünfte vorliegen. Deshalb hat die Rspr zur Abgrenzung von lfd Einkünften für diese Einkunftsart besondere Kriterien entwickelt.

Eine Steuerermäßigung kommt nach st Rspr (vgl zB BFH v 30.07.2007, BFH/NV 2007, 1890 mwN) nur dann in Betracht, wenn

  • sich der StPfl mehrere Jahre lang ausschließlich der einen Sache gewidmet und die Vergütung hierfür in einem VZ bezogen hat, oder
  • eine sich über mehrere Jahre erstreckende Sondertätigkeit, die von der übrigen Tätigkeit des StPfl ausreichend abgrenzbar ist und nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb gehört, in einem VZ entlohnt wird.

Die FinVerw hat diese Grundsätze der Rspr übernommen, vgl H 34.4 EStH 2021 "Gewinneinkünfte".

Außer in diesen Sonderfällen liegen nach jüngerer Rspr des BFH Vergütungen iSv § 34 Abs 2 Nr 4 EStG auch dann vor, wenn

  • eine einmalige Sonderzahlung für langjährige Dienste aufgrund einer ArbN-ähnlichen Stellung gezahlt wird, vgl BFH v 27.05.2005, BFH/NV 2005, 1788 mwN, oder
  • wenn der StPfl für eine mehrjährige Tätigkeit eine Nachzahlung in einem Betrag aufgrund einer vorausgegangenen rechtlichen Auseinandersetzung erhalten hat, vgl BFH v 14.12.2006, BStBl II 2007, 180 (der Sachverhalt betraf die Nachzahlung der kassenärztlichen Vereinigung an einen Physiotherapeuten); bestätigt durch BFH v 02.08.2016, BStBl II 2017, 258 und H 34.4 EStH 2021 "Gewinneinkünfte". Die Tarifbegünstigung wurde aber im Urteilsfall nicht gewährt, da die Auszahlung der Gesamtvergütung in zwei VZ in etwa gleich großen Teilbeträgen erfolgte.

Der BFH verweist in der Begründung des Urteil v 14.12.2006, aaO, auf den Sinn und Zweck des § 34 Abs 2 Nr 4 EStG, der bewirken soll, dass die steuerliche Belastung bei Einkünften, die aufgrund einer mehrjährigen Tätigkeit zufließen, möglichst nicht höher ist, als wenn in jedem der mehreren Jahre ein Anteil zugeflossen wäre. Deshalb setzt die Annahme des § 34 Abs 2 Nr 4 EStG voraus, dass die Vergütung für mehrjährige Tätigkeit eine entsprechende Progressionswirkung typischerweise erwarten lässt.

Ob sich aus dieser Urteilsbegründung der allgemeine Grundsatz ableiten lässt, dass die Tarifvergünstigung des § 34 EStG bei jedem atypischen und zusammengeballten Zufluss von Einnahmen Anwendung findet, ist zweifelhaft und mE zu verneinen, bejahend Lindberg in Brandis/Heuermann, § 34 EStG Rz 49 (August 2022); vgl auch die kritisch Anmerkung zu dieser Entwicklung der Rspr von Sieker in K/S/M, § 34 EStG Rz B 124 (November 2016).

Eine nach § 34 EStG begünstigte Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit ist zB bei einer bloßen Nachzahlung von im Vorjahr verdienten Vergütungen nicht gegeben; so scheint der BFH die Steuervergünstigung für eine Vergütung zu versagen, die ein RA für die Bearbeitung eines großen Schadensfalles (ohne gerichtliche Auseinandersetzung) erhalten hat, vgl BFH v 30.07.2007, BFH/NV 2007, 1890.

Auch in anderen Fällen wurde die Tarifbegünstigung von zusammengeballt zugeflossenen RA-Honoraren versagt, vgl zB BFH v 30.01.2013, BFH/NV 2013, 829 (betraf die mehrjährige Bearbeitung diverser Klageverfahren); BFH v 16.09.2014, DStZ 2 015 137 (betraf Erfolgshonorar für ein zwölf Jahre dauerndes Restitutionsverfahren) Verfassungsbeschwerde eingelegt, aber nicht zur Entscheidung angenommen, vgl BVerfG v 24.03.2016, 2 BvR 2951/14.

 

Rn. 109

Stand: EL 164 – ET: 04/2023

Die ausschließliche Befassung mit einer Sache dürfte bei einem RA, StB oÄ in der Praxis wohl nicht vorkommen, denkbar aber bei Künstlern oder Schriftstellern, die sich über längere Zeit mit nur einem Werk befassen, vgl Horn in H/H/R, § 34 EStG Rz 65 (August 2019).

Aber selbst für diese Berufsgruppen ist mE die Tarifermäßigung nicht zu gewähren, wenn es zum typischen Berufsbild gehört, sich mit einer Sache längere Zeit zu befassen, zB bei einem Schriftsteller, der regelmäßig Romane über einen längeren Zeitraum schreibt, vgl zB BFH BStBl III 1961, 530; 1964, 130, oder bei einem RA, der ein Honorar für die Bearbeitung eines mehrjährigen Mandats vereinnahmt, vgl BFH v 30.01.2013, BFH/NV 2018, 829.

Diese Regelmäßigkeit steht mE den allgemeinen Tatbestandsmerkmalen von außerordentlichen Einkünften (einmalige und für die jeweilige Einkunftsart ungewöhnliche Einkünfte) entgegen, s Rn 51 und 113. Der Progressionsnachteil mag zu Beginn der Tätigkeit vorliegen, gleicht sich aber im Laufe der Zeit wegen des Zuflussprinzips wieder aus.

 

Rn. 110

Stand: EL 164 – ET: 04/2023

Eine von den übrigen Tätigkeiten des StPfl abgrenzbare Sondertätigkeit liegt vor, wenn kein Zusammenhang mit Tätigkeiten besteht, die – abgeleitet aus der jeweiligen Berufsordnung – zum typischen Berufsbild zählen, vgl Horn in H/H/R, § 34 EStG Rz 65 (August 2019); Lindberg in Brandis/Heuermann, § 34 EStG Rz 55–56 (August...

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