Rn. 34

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Nach st Rspr des BFH und des BVerfG BStBl II 1982, 717 mwN ist die Besteuerung der Ehepaare nach der Splittingtabelle für sich allein gerechtfertigt. Das Ehegattensplitting entspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, Art 3 Abs 1 GG; es unterstellt eine Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft zusammenlebender Eheleute. Diese Annahme schließt mit ein, dass die Aufwendungen für den Unterhalt des jeweils anderen Ehegatten einen gemeinschaftlichen Lebensbedarf betreffen. Diese im ESt-Recht weitestgehende Berücksichtigung der Einkünfte- und Lastenverteilung zwischen Ehegatten, auf die die Vorschriften über die Ehegattenbesteuerung (§§ 2626b, 32a Abs 5 EStG) Anwendung finden, verdrängen insoweit den allg Unterhaltsabzug nach § 33a Abs 1 EStG, GrS des BFH BStBl II 1989, 164. Damit knüpft das Splitting an die wirtschaftliche Realität der intakten Durchschnittsehe an und steht in Einklang mit den Grundwertungen des Familienrechts. Die Institutionen des Zugewinn- und Versorgungsausgleichs beruhen auf denselben Erwägungen.

Durch die Anknüpfung an eine Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft ist auch eine Verfassungswidrigkeit zu anderen Familienstrukturen ausgeschlossen. Es ist daher nicht verfassungswidrig, dass die Anwendung des Splittingtarifes nach § 26b EStG, § 32a Abs 5 EStG zu einer geringeren Steuerbelastung des Einkommens eines Alleinverdieners mit Ehefrau und einem Kind gegenüber dem Einkommen eines verwitweten Alleinverdieners mit zwei Kindern führt (FG Sachsen v 09.11.2020, 1 K 1869/18, Rev eingelegt Az BFH VI R 47/20; s auch das beim BFH anhängige Revisionsverfahren zum Az III R 50/17, Vorinstanz: FG Sachsen v 15.03.2017, 2 K 1429/16, nv). Der nach Wegfall der Voraussetzungen des Verwitwetensplittings im Sinne des § 32a Abs 6 S 1 Nr 1 EStG erfolgende Ausschluss verwitweter Alleinerziehender aus dem Anwendungsbereich des Splittingverfahrens verstößt daher auch weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen den Schutz von Ehe und Familie (BFH BFH/NV 2013, 362).

 

Rn. 35

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Darüber hinaus ermöglicht das Splitting den Ehegatten die freie Entscheidung, ob einer allein das Familieneinkommen erwirtschaften soll, während der andere Partner den Haushalt führt, oder ob beide Partner sowohl im Haushalt als auch im Beruf tätig sein wollen. Damit schützt das Splitting das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten in ihren finanziellen Beziehungen untereinander, Art 6 Abs 1 GG. Es wird sowohl die bei einer Zusammenveranlagung ohne Splitting gegebene verfassungswidrige Benachteiligung der "Doppelverdienerehe" vermieden, als auch die bei einer getrennten Veranlagung drohende Gefahr der Benachteiligung der "Hausfrauen- oder Hausmannehe" ausgeschlossen, BFH BStBl III 1957, 162; vgl auch BVerfG, BStBl II 2003, 534, 542 C.II.3 unter Gründe.

Durch die Behandlung der Eheleute als Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs wird zudem sichergestellt, dass eine Besserstellung einzelner Ehegemeinschaften und damit eine Ungleichbehandlung verschiedener Eheleute nicht eintreten kann. Während nämlich bei der Individualbesteuerung der Eheleute insb Gewerbetreibende und Freiberufler durch vertragliche Gestaltung die Möglichkeit der Einkünfteverteilung auf beide Ehepartner hätten, wodurch der gleiche Effekt wie beim Ehegattensplitting erreicht würde, stünde anderen StPfl, insb ArbN, diese Gestaltungsmöglichkeit nicht offen. Mit dem Splitting hat der Gesetzgeber mithin keine Regelung im Sinne einer beliebig veränderbaren Steuer-"Vergünstigung" getroffen, sondern eine an den verfassungsrechtlichen Schutzgeboten orientierte sachgerechte Besteuerung erreicht (BVerfG BStBl II 1982, 717; kritisch hinsichtlich der Besteuerung freiwillig getrennt lebender Ehegatten Schöberle in K/S/M, § 32a EStG Rz C 11 und hinsichtlich der Verdoppelung des Grundfreibetrages Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl 2020, Rz 8.848). Dem steht nicht entgegen, dass sich bei Anwendung des Splittingtarifs gegenüber dem Grundtarif bei unterschiedlicher Einkommenshöhe auch unterschiedliche Steuerentlastungen ergeben, da insoweit der progressive Steuertarif Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips ist.

 

Rn. 36

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Seit Jahrzehnten wird in der Politik und in der Literatur nach Alternativen zum Ehegattensplitting gesucht. Der Grund hierfür liegt darin, dass es trotz Ehegattensplittings zu steuerlichen Ungleichbehandlungen im Tarifbereich kommen kann. Insb zeigt sich die Ungleichbehandlung bei dem Vergleich kinderloser Ehepaare mit Ehepaaren, die mehrere Kinder haben. Bei einem kinderlosen Ehepaar ist häufig eine Doppelverdienersituation gegeben, während bei Familien mit zwei, insb aber bei drei und mehr Kindern gewöhnlich nur ein Ehepartner berufstätig ist. Die familiäre Situation in diesen Familien erlaubt zumeist den Frauen häufig nicht, einer Vollzeitarbeit nachzugehen. Daher werden meistens Jobs auf 450-EUR-Basis gewählt, die einkommensteuerlich bei der Jahresveranlagung nicht berü...

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