Rn. 280

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Ab VZ 1996 schließt § 32 Abs 2 EStG die Mehrfachberücksichtigung von Kindern gänzlich aus, indem ein angenommenes Kind im Konkurrenzverhältnis zwischen Adoptiveltern und leiblichen Eltern vorrangig als Adoptivkind und ein Pflegekind im Konkurrenzverhältnis zwischen Pflegeeltern und leiblichen Eltern bzw Adoptiveltern vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen ist. Dies dient der Vermeidung der Doppelberücksichtigung. Im Kindergeldrecht findet § 32 Abs 2 S 2 EStG hingegen weder direkt noch analog Anwendung, BFH v 15.06.2916, III R 60/12, BStBl II 2016, 889.

 

Rn. 281

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

§ 32 Abs 2 EStG kommt nur ein eingeschränkter Regelungsumfang zu. § 32 Abs 2 S 1 EStG betrifft den Vorrang von Adoptiveltern. Bei einem angenommenen Kind besteht das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern im Falle der Adoption von Volljährigen weiter fort, bei der Adoption von Minderjährigen erlöschen mit der Annahme dagegen frühere Verwandtschaftsverhältnisse (§ 1755 Abs 1 BGB), sodass die Konkurrenzregelung nur das Jahr der Adoption betreffen kann. In § 32 Abs 2 S 2 EStG ist der Fall geregelt, dass ein im ersten Grad mit dem StPfl verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind ist. In diesem Fall ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen. Da es nach § 32 Abs 6 S 5 EStG darauf ankommt, ob die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Kindes in dem betreffenden Kalendermonat vorgelegen haben, gilt die Konkurrenzregelung erst ab dem Monat, in dem die Konkurrenzsituation erstmals eintritt, bzw bis zu dem Monat, in dem sie wegfällt, vgl Jachmann in K/S/M, § 32 EStG Rz B 18 (März 2004).

 

Rn. 282

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Eine Doppelberücksichtigung des Kindes ist für den Monat möglich, in dem das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern infolge der Annahme im Verlaufe des Monats erlischt und zu den Eltern, die das Kind angenommen haben, neu begründet wird, vgl dazu A 10.2 Abs 2 S 2, S 3; Abs 3 S 2, S 3 DA-KG 2020. Insoweit reicht es für die Berücksichtigung des Kindes in dem betreffenden Monat aus, dass die Voraussetzungen dafür an nur einem Tag des Monats vorgelegen haben, R 32.3 S 1 EStR 2012. Dementsprechend stehen die Freibeträge des § 32 Abs 6 S 1 EStG für den betreffenden Monat sowohl den leiblichen Eltern als auch den Eltern, die das Kind angenommen haben, zu, Selder in Blümich, § 32 EStG Rz 24 (Februar 2019); Wendl in H/H/R, § 32 EStG Rz 63 (April 2019); Loschelder in Schmidt, § 32 EStG Rz 18 (40. Aufl); § 32 Abs 2 EStG ist insoweit nicht einschlägig.

 

Rn. 283

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

§ 32 Abs 2 EStG findet auf die leiblichen Eltern dann keine Anwendung, wenn die Adoptiv- oder Pflegeeltern nicht unbeschränkt stpfl sind. In diesem Fall findet § 32 EStG nach § 50 Abs 1 S 3 EStG keine Anwendung, Wendl in H/H/R, § 32 EStG Rz 62 (April 2019), so dass auch keine Doppelbegünstigung gegeben ist.

 

Rn. 284

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Gegen das Verbot der Doppelberücksichtigung bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, vgl Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, § 32 EStG Rz 21 (Mai 2019); aA Nolde, FR 1995, 845, 847. Auch in dem Fall, dass die leiblichen Eltern das sächliche Kinderexistenzminimum des bei Pflegeeltern untergebrachten Kindes decken, erhalten sie nach der Konkurrenzregelung nicht den Kinderfreibetrag für das sächliche Kinderexistenzminimum. Dies verstößt gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, vgl Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, § 32 EStG Rz 22 (Mai 2019), sowie gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Dafür, dass den mit dem sächlichen Existenzminimum des Kindes nicht belasteten Pflegeeltern auch der Kinderfreibetrag zusteht, liegt kein sachlicher Grund vor; aA Selder in Blümich, § 32 EStG Rz 24 (Februar 2019); Wendl in H/H/R, § 32 EStG Rz 62 (April 2019). Die Auffassung des Gesetzgebers, in diesem Falle komme ein zivilrechtlicher Ausgleich "wie nach § 1615g BGB in Betracht" und es erscheine hinnehmbar, "wenn dies nicht in jedem Einzelfall zur vollen steuerlichen Berücksichtigung erbrachter Unterhaltsleistungen führen sollte" (BT-Drucks 13/15558, 155), berücksichtigt die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht hinreichend.

 

Rn. 285

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Kommt der leibliche Elternteil seiner Unterhaltspflicht gegenüber einem bei Pflegeeltern untergebrachten Kind im Wesentlichen nach, dazu ausführlich s Rn 866 ff, muss dem leiblichen Elternteil der Kinderfreibetrag für das sächliche Kinderexistenzminimum ebenso zustehen wie einem Elternteil, der nach der Scheidung für das beim anderen Elternteil lebende gemeinsame Kind Unterhaltszahlungen in ausreichender Höhe erbringt. Leistet der leibliche Elternteil für das bei Pflegeeltern untergebrachte Kind nur Unterhalt in einer Höhe, die nicht dazu ausreicht, das sächliche Kinderexistenzminimum abzudecken und werden die Pflegeeltern insoweit nicht durch Leistungen des Jugendamtes freigestellt, kommt in Betracht, dass den Pflegeeltern und dem leiblichen...

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