Rn. 150

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Das BVerfG hat in dem Beschluss v 10.11.1998, BVerfG v 10.11.1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BStBl II 1999, 182, ferner entschieden, dass der Gesetzgeber bei der gebotenen Neuregelung des Kinderleistungsausgleichs den Erziehungsbedarf des Kindes zusätzlich zu berücksichtigen habe. Dieser Bedarf umfasse diejenigen Aufwendungen der Eltern, die dazu dienten, die persönliche Entfaltung des Kindes und seine Entwicklung zu Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit zu ermöglichen.

Dieser Erziehungsbedarf, für den der bisherige Haushaltsfreibetrag eine zahlenmäßige Orientierung biete, die allerdings je nach Kinderzahl abzustufen sei, sei von allen Eltern zu befriedigen, vgl BVerfG v 10.11.1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BStBl II 1999, 182, 191, und deshalb unterschiedslos bei allen Eltern, die einen Kinderfreibetrag oder ein Kindergeld erhielten, zu berücksichtigen, dazu Heuermann, BB 1999, 660; Kirchhof, NJW 2000, 2792. Eine gesetzliche Neuregelung habe insoweit spätestens mit Wirkung v 01.01.2002 zu erfolgen.

 

Rn. 151

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Durch das 2. FamFördG v 16.08.2001, BStBl I 2001, 2074 hat der Gesetzgeber insoweit einen einheitlichen Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf iHv 1 080 EUR je Elternteil geschaffen. Für Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ist kein Betreuungsbedarf mehr anzuerkennen, wohl aber ein Erziehungsbedarf. Gegen die Höhe dieses einheitlichen Freibetrags bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Nur für in Berufsausbildung befindliche, volljährige Kinder, die auswärtig untergebracht sind, wird ein – zusätzlicher – Sonderbedarf anerkannt und insoweit in § 33a Abs 2 EStG ein Freibetrag iHv 924 EUR berücksichtigt, der jedem Elternteil grds zur Hälfte (§ 33a Abs 2 S 4, S 5 EStG) zusteht. Die steuerliche Berücksichtigung dieses Mehrbedarfs für ein auswärtig zu Ausbildungszwecken untergebrachtes, volljähriges Kind erfolgt durch den Freibetrag nach § 33a Abs 2 EStG iVm den Freibeträgen nach § 32 Abs 6 EStG in ausreichendem Maße, BFH v 25.11.2010, III R 111/07, BStBl II 2011, 281 (Verfassungsbeschwerde wurde durch BVerfG v 23.10.2012, 2 BvR 451/11 nicht zur Entscheidung angenommen).

Dass Eltern den Unterhalt für volljährige Kinder, die sich in Ausbildung befinden und die Altersgrenze in § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 EStG überschritten haben, nach § 33a Abs 1 EStG als ag Belastung abziehen können, genügt dem verfassungsrechtlichen Gebot der steuerlichen Verschonung des Familienexistenzminimums, BFH v 25.11.2010, III R 111/07, BStBl II 2011, 176 (Verfassungsbeschwerde durch BVerfG v 22.10.2012, 2 BvR 2875/10 nicht zur Entscheidung angenommen, kritisch Horlemann DStR 2011, 503).

 

Rn. 152

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Soweit sich der Grenzbetrag in § 32 Abs 4 S 2 EStG aF seit dem VZ 2006 mit 7 680 EUR bzw ab dem VZ 2010 bis einschließlich des VZ 2011 mit 8 004 EUR an der Höhe des Grundfreibetrags orientiert, bestanden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Demgegenüber ist der BFH v 21.07.2000, VI R 153/99, BStBl II 2000, 566 (Verfassungsbeschwerde wurde durch BVerfG v 30.9.2002, 2 BvR 1781/00 nicht zur Entscheidung angenommen) davon ausgegangen, es sei von Verfassungs wegen nicht geboten, insoweit als Grenzbetrag das Existenzminimum eines allein stehenden Erwachsenen anzusetzen, da § 32 Abs 4 S 2 EStG mit dem darin enthaltenen Grenzbetrag die Besteuerung der Eltern und nicht die des Kindes regele. Diese Auffassung hat auch das BVerfG v 11.01.2005, 2 BvR 167/02, BFH/NV 2005 Beilage 3, 260 vertreten, durch den der Beschluss des BFH v 11.12.2001, VI R 16/00, HFR 2002, 508 aufgehoben worden ist.

 

Rn. 153

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Soweit § 32 Abs 4 S 1 EStG aF auf die Einkünfte des Kindes abstellte, standen diese dem Kind insoweit nicht zur Bestreitung des sächlichen Existenzminimums zur Verfügung, wie sie durch unvermeidbare und zwangsläufige Aufwendungen, zB durch Beiträge zur Sozialversicherung gebunden sind, vgl dazu BFH v 21.07.2000, VI R 153/99, BStBl II 2000, 566; Mellinghoff, FR 2000, 1149; Jachmann in K/S/M, § 32 EStG Rz A 71 (März 2004).

Das BVerfG hat dazu entschieden, dass jedenfalls die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge nicht in die Bemessungsgröße des § 32 Abs 4 S 2 EStG aF einzubeziehen waren, BVerfG v 11.01.2005, 2 BvR 167/02, BFH/NV 2005 Beilage 3, 260; § 32 Abs 4 S 2 EStG aF sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass sich der Relativsatz "die zur Bestreitung des Unterhalts (...) bestimmt oder geeignet sind" auch auf die Einkünfte des Kindes beziehe.

Offen gelassen hat das BVerfG die Frage, in welchen Fällen der Relativsatz im Einzelfall auf Einkünfte anzuwenden sei, vgl dazu FinMin NRW v 03.06.2005, FR 2005, 718. Dies betrifft zB die LSt und die KiSt, SolZ, Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung, ausführlich dazu s Rn 1012.

 

Rn. 154

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Weitere Bedenken wurden im Hinblick auf den starren Grenzbetrag (Freigrenze) für die Einkünfte und Be...

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