Rn. 330

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

§ 31 S 5 EStG ist durch Art 9 Nr 3 des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch v 11.07.2019 (SozialMissbrG) eingefügt worden und am 18.07.2019 in Kraft getreten. Die Änderung ist nach § 52 Abs 1 S 1 EStG in der am 18.07.2019 geltenden Fassung erstmals im VZ 2019 anzuwenden.

Die Einfügung des § 31 S 5 EStG steht im Zusammenhang mit der zeitgleichen Einfügung von § 70 Abs 1 S 2 u 3 EStG, die gemäß § 52 Abs 50 S 1 idF SozialMissbrG auf Kindergeldanträge anzuwenden sind, die nach dem 18.07.2019 eingehen. Nach § 70 Abs 1 S 2 EStG erfolgt die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Nach § 70 Abs 1 S 3 EStG bleibt der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 EStG von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt.

Im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks 19/8691) war die Einfügung des § 31 S 5 EStG nicht enthalten. Mit der Einfügung des § 31 S 5 EStG folgte der Gesetzgeber der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucks 19/10683, 32, 51), der die in der Sachverständigenanhörung geäußerte Kritik berücksichtigte (Protokoll-Nr 19/41 der Sitzung des Finanzausschusses des deutschen Bundestages v 06.06.2019, 23 f, 49 f, 83).

 

Rn. 331

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

In Fällen, in denen der Kindergeldantrag nicht rechtzeitig gestellt wurde, wäre ohne die Einfügung des § 31 S 5 EStG bei der ESt infolge der Hinzurechnung des Anspruchs auf das – nicht ausgezahlte – Kindergeld das Existenzminimum eines Kindes nicht vollständig freigestellt, da § 31 S 4 EStG eine Vergleichsrechnung zwischen den Freibeträgen nach § 32 Abs 5 EStG und dem Anspruch auf Kindergeld vorsieht. Durch die Ausnahmeregelung des § 31 S 5 EStG wird bei der Vergleichsrechnung und der Hinzurechnung für die Kalendermonate, in denen durch Bescheid der Familienkasse ein Anspruch auf Kindergeld festgesetzt, aber wegen § 70 Abs 1 S 2 EStG nicht ausgezahlt wurde, nicht auf den Anspruch auf Kindergeld abgestellt. Letzteres hätte nämlich zur Folge, dass die Freibeträge für Kinder sich steuerlich nur in Höhe des Betrages auswirken würden, der das verrechnete, aber nicht erhaltene Kindergeld übersteigt.

In den Fällen des § 70 Abs 1 S 2 EStG wird deshalb bei der Vergleichsrechnung nicht auf das festgesetzte Kindergeld abgestellt, soweit dieses wegen § 70 Abs 1 S 2 EStG nicht ausgezahlt wurde (BT-Drucks 19/10683, 51). Der Anspruch auf Kindergeld ist deshalb in diesen Fällen bei der Vergleichsrechnung und der Hinzurechnung mit null EUR anzusetzen. Nach dem Wortlaut des § 31 S 5 EStG betrifft dies den Anspruch auf Kindergeld für Kalendermonate, in denen durch Bescheid der Familienkasse ein Anspruch festgesetzt, aber wegen § 70 Abs 1 S 2 EStG nicht ausgezahlt wurde. Richtigerweise betrifft § 31 S 5 EStG jedoch den Anspruch auf Kindergeld für Kalendermonate, für die durch Bescheid der Familienkasse ein Anspruch festgesetzt, aber wegen § 70 Abs 1 S 2 EStG nicht ausgezahlt wurde, vgl Wendl in H/H/R, Jahreskommentierung 2020, § 31 EStG Rz J 20–4.

 

Rn. 332

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

Trägt der StPfl vor, dass die Familienkasse die rückwirkende Auszahlung des Kindergeldes auf sechs Monate begrenzt hat, ist dem FA der betreffende Kindergeldbescheid oder eine Bescheinigung der Familienkasse nach § 68 Abs 3 EStG vorzulegen (BT-Drucks 19/10683, 51). Insoweit ist das FA an die Entscheidung der Familienkasse betreffend die Auszahlungsbeschränkung nach § 70 Abs 1 S 2, 3 EStG gebunden. Der Bescheid der Familienkasse mit dem Inhalt, dass ein Kindergeldanspruch besteht, jedoch wegen § 70 Abs 1 S 2 EStG nicht ausgezahlt wird, stellt mithin einen Grundlagenbescheid dar, Mutschler in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, § 31 EStG Rz 86. Insoweit ist die Tatbestandwirkung des Bescheids der Familienkasse durch § 31 S 5 EStG ausdrücklich geregelt, so dass bei späterer Änderung oder Aufhebung des Bescheids der Familienkasse eine Änderung des ESt-Bescheids zugunsten des StPfl nach § 175 Abs 1 S 1 Nr 1 AO erfolgen kann, aA Wendl in H/H/R, § 31 EStG Rz 33 (Juni 2019): Änderung nach § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO. Da es sich bei § 31 S 5 EStG um eine Ausnahmevorschrift zu § 31 S 4 EStG handelt, tritt die Tatbestandswirkung allerdings nur in den Fällen ein, in denen die Familienkasse nachfolgend durch Bescheid das Vorliegen der Auszahlungsbeschränkung des § 70 Abs 1 S 2 EStG verneint, nicht aber auch in den Fällen, in denen die Familienkasse nachfolgend wegen neuer Tatsachen zu der Auffassung gelangt, dass bereits kein Anspruch auf Kindergeld besteht und deshalb den Kindergeldbescheid aufhebt, insoweit besteht keine Bindungswirkung.

 

Rn. 333

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 31 S 5 EStG betrifft diese Ausnahmeregelung zu § 31 S 4 EStG nur die Fälle, in denen die Auszahlungsbeschränkung aus § 70 Abs 1 S 2 EStG folgt. Wie in den Fällen zu verfahren ist, in denen die Auszahlungsbeschränkung auf § 66 Abs 3 EStG idF StUmgBG v 23.0...

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