Rn. 119

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Einen steuerrechtlich beachtlichen Übertragungsakt stellt ausnahmsweise bereits die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums gemäß § 39 AO innerhalb der Behaltefrist dar, wenn die Beteiligten damit rechnen konnten, dass das obligatorische Rechtsgeschäft – wenn auch außerhalb der Behaltefrist – nachfolgt. Eine Anschaffung und Veräußerung iSd § 23 EStG liegt also in Ausnahmefällen auch im dinglichen Rechtsgeschäft der Eigentumsübertragung, falls diese zeitlich vor dem obligatorischen Verpflichtungsgeschäft vollzogen wird (st Rspr, zB BFH vom 19.10.1971, BStBl II 1972, 452).

 

Rn. 120

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Bei Grundstücken geht das wirtschaftliche Eigentum idR über, sobald Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergegangen sind. Der Abschluss eines notariellen Kaufvertrags und auch die Zahlung eines Teils des Kaufpreises führen noch nicht zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums. Auch der iRd Aufhebung des geschlossenen Kaufvertrags neben der Erstattung des bisher gezahlten Kaufpreises zugesprochene Anteil an der Wertsteigerung des Grundstücks wurde nicht als Beleg für wirtschaftliches Eigentum gewertet (BFH vom 20.01.1987, BFH/NV 1987, 428).

 

Rn. 121

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Die Einräumung eines Vorkaufsrechts für sich allein reicht nicht aus, um hierin bereits eine Verpflichtung zur Übertragung wirtschaftlichen Eigentums zu sehen. Ebenso wenig genügen in aller Regel einseitige Vertragsangebote – selbst wenn sie bindend sind –, solange deren Annahme noch offen ist (vgl zur "Doppeloption" bei Grundstücksgeschäften Kessler/Mirbach/Egelhof, DB 2014, 2190).

Eine lediglich einseitige Bindung des Veräußerers liegt auch dann vor, wenn der Vertrag das Recht des Erwerbers beinhaltet, einen anderen als Grundstückserwerber zu benennen. In diesem Fall beginnt die Frist des § 23 Abs 1 EStG erst mit der (notariellen) Ausübung dieses Benennungsrechts (vgl BFH vom 26.10.2021, BStBl II 2022, 400). Dies gilt selbst dann, wenn das Benennungsrecht befristet ist und nach Fristablauf der Erwerber das Grundstück "automatisch" erworben hätte.

 

Rn. 122

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Nach BFH vom 23.09.1966, BStBl III 1967, 73 stellt allerdings das bindende Verkaufsangebot über ein Grundstück an den Kreditgeber des Grundstückseigentümers mit gleichzeitigem Abschluss eines Mietvertrags zu dessen Gunsten bereits dann eine Veräußerung dar, wenn der Grundstückseigentümer auch die zur Eigentumsübertragung erforderlichen Erklärungen abgegeben, für den Berechtigten die Eintragung einer Vormerkung bewilligt hat und andererseits die Annahme des Angebots nicht zweifelhaft sein kann.

 

Rn. 123

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In BFH vom 07.08.1970, BStBl II 1970, 806 wurde eine solche Konstellation aber nicht anerkannt für den Fall, dass der Verkäufer zwar innerhalb der Behaltefrist ein Angebot gemacht, aber auch bestimmt hatte, dass es nur zu einem Zeitpunkt nach Ablauf der Behaltefrist angenommen werden könne. Erst bei Annahme sollten im entschiedenen Fall auch die Nutzungen usw auf den Erwerber übergehen. Anderen Umständen, zB einer nicht unerheblichen Anzahlung, der tatsächlichen Annahme des Angebots sowie der Tatsache, dass der Verkäufer alles Übrige getan hatte, maß der BFH keine Bedeutung bei (BFH vom 10.01.1987, BFH/NV 1987, 428).

 

Rn. 124

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Diese nur für den Fristablauf unterstellte Vorverlagerung des Veräußerungszeitpunkts dient dazu, Vertragsgestaltungen zur gezielten Umgehung des § 23 EStG zu begegnen, denen mit Hilfe des § 42 AO regelmäßig nicht beizukommen ist, da eine allein aus steuerlichen Gründen gewählte Gestaltung mit dem Ziel der Überschreitung der Behaltefrist normalerweise nicht unangemessen ist (FG Ha EFG 1985, 501 rkr).

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