Rn. 83

Stand: EL 147 – ET: 11/2020

Wiederkehrende Leistungen zum Ausgleich eines Schadens sind grds nicht als Leibrenten steuerbar. Solche Renten können auf den §§ 253, 823ff BGB oder anderen Vorschriften (zB HaftpflichtG, StVG) beruhen. Die frühere Rspr, die in Form einer Leibrente gezahlten Schadensersatz allein der äußeren Form wegen den steuerbaren Einkünften zugerechnet hatte, wurde vom BFH aufgegeben (BFH BStBl II 1995, 121). Nunmehr ist zu unterscheiden zwischen

  • Schadensersatzrenten, die als Ersatz bezahlt werden für den Wegfall anderer steuerbarer Einkünfte, und
  • solchen, bei denen das nicht der Fall ist.

Die Ersteren sind steuerbar, die Letzteren dagegen nicht (BFH BStBl II 2009, 651; BMF v 15.07.2009, BStBl I 2009, 836).

Zu den steuerbaren Schadensersatzrenten, durch die andere steuerbare Einnahmen ersetzt werden, gehören beispielsweise Renten wegen Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit iSd § 843 Abs 1 Alt 1 BGB. Aufgrund der in § 22 Nr 1 S 1 EStG verankerten Subsidiarität sind diese grds derjenigen Einkunftsart zuzurechnen, die dem StPfl aufgrund der den Schadensersatz verursachenden Handlung entgangen sind (§ 24 Nr 1 Buchst a EStG; vgl BFH BStBl II 2009, 651; 1995, 121; 1986, 252). Eine Besteuerung als sonstige wiederkehrende Bezüge nach § 22 Nr 1 S 1 EStG (zB der Höhe nach schwankende Bezüge) oder als Leibrenten nach § 22 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst bb EStG kommt folglich nur dann in Betracht, wenn nicht zu klären ist, welcher Einkunftsart die entgangenen Einkünfte zuzuordnen sind, oder wenn der Bezug zu diesen Einkünften durch eine Vereinbarung der Parteien gelöst wurde.

Wird der Schadensersatz allerdings von der gesetzlichen Unfallversicherung gezahlt, sind die Leistungen gemäß § 3 Nr 1 Buchst a EStG steuerfrei (vgl BMF v 28.10.2009, BStBl I 2009, 1275 Tz 2.1.4.).

Zu den nicht steuerbaren Schadensersatzrenten sind die wiederkehrenden Bezüge zu rechnen, die zum Ausgleich vermehrter Bedürfnisse gemäß § 843 Abs 1 Alt 2 BGB (sog Mehrbedarfsrente) erbracht werden. Nach dieser Vorschrift ist einem Verletzten, bei dem infolge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit eine Vermehrung seiner Bedürfnisse (vermehrter Bedarf für die persönliche Lebensführung infolge dauernder Störung des körperlichen Wohlbefindens) eingetreten ist, Schadensersatz durch Entrichtung einer Geldrente zu leisten (BFH BStBl II 1995, 121; 1995, 410).

Entsprechendes gilt bei Schadensersatzrenten wegen Wegfalls von Unterhaltsansprüchen gemäß § 844 Abs 2 BGB (BFH BStBl II 2009, 651; aA noch BFH BStBl II 1979, 133) oder wegen entgangener Dienste gemäß § 845 BGB (vgl BMF v 15.07.2009, BStBl I 2009, 836; BMF v 28.10.2009, BStBl I 2009, 1275 Tz 2.1.4.). Die Rspr begründet die Nichtsteuerbarkeit derartiger Schadensersatzrenten in erster Linie damit, dass eine Besteuerung den Grundaussagen des § 2 Abs 1 EStG widerspreche, wonach die ESt nur objektive Leistungsmehrungen erfasse. Der Geschädigte erlange durch eine derartige Rente kein zusätzliches disponibles Einkommen (Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit). Anders als Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung würden Schadensersatzleistungen nicht "erwirtschaftet" (vgl FG Sa EFG 2012, 625). Auch das Korrespondenzprinzip verlange keine Steuerbarkeit. Die Abziehbarkeit beim Leistenden und die Besteuerung beim Empfänger seien zwei verschiedene, voneinander unabhängige Vorgänge. Ein Transfer von Einkünften finde insoweit nicht statt. Gegen eine Besteuerung von Mehrbedarfsrenten spreche ferner, dass es sich dabei – wirtschaftlich betrachtet – lediglich um "durchlaufendes Geld" handele. Dem ist zuzustimmen.

Nicht steuerbar sind auch Leistungen zum Ausgleich eines Schmerzensgeldanspruchs gemäß § 253 Abs 2 BGB bzw § 847 BGB aF (so auch BMF v 15.07.2009, BStBl I 2009, 836; BMF v 28.10.2009, BStBl I 2009, 1275 Tz 2.1.4.). Ebenso wie die Mehrbedarfsrente ist die Schmerzensgeldrente Ersatz für einen durch die Verletzung höchstpersönlicher Güter eingetretenen Schaden. Der Geschädigte soll durch das Schmerzensgeld in die Lage versetzt werden, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten anstelle derer zu verschaffen, deren Genuss ihm durch die Verletzung unmöglich gemacht wurde. Auch in einem solchen Fall wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Empfängers durch die Rente nicht erhöht.

 

Rn. 84

Stand: EL 147 – ET: 11/2020

Die vorgenannten Schadensersatz-, Unterhalts- und Schmerzensgeldrenten enthalten keine steuerbaren Zinsanteile. Dies ist damit zu rechtfertigen, dass diese Renten von Anfang an als Geldrente geschuldet werden, erst sukzessive entstehen und nicht etwa zunächst einheitliche, der Höhe nach feststehende Ansprüche verrentet werden (vgl BFH BStBl II 2009, 651; BMF BStBl I 2009, 836). Im Zusammenhang mit Schadensersatzprozessen erstrittene Verzugs- und Prozesszinsen sind allerdings originär nach § 20 Nr 7 EStG steuerbar (BFH BStBl II 1995, 121; FG Nds EFG 2012, 1666).

 

Rn. 85

Stand: EL 147 – ET: 11/2020

vorläufig frei

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