Rn. 647

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Nach § 20 Abs 1 Nr 7 S 3 EStG zählen zu den Erträgen aus sonstigen Kapitalforderungen auch Erstattungszinsen nach § 233a AO. Die StPfl für Zinsen auf Steuererstattungen gemäß § 233a AO hat der Gesetzgeber mit dem JStG 2010 vom 08.12.2010, BGBl I 2010, 1768 in § 20 Abs 1 Nr 7 S 3 EStG aufgenommen. Diese Regelung ist eine Reaktion des Gesetzgebers auf das Urteil des BFH vom 15.06.2010, VIII R 33/07, BStBl II 2011, 503, veröffentlicht am 08.09.2010, zur unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Erstattungszinsen als Einnahmen und Nichtabziehbarkeit von Nachzahlungszinsen vorausgegangen. Danach unterliegen Zinsen iSv § 233a AO, die das FA an den StPfl zahlt (Erstattungszinsen) beim Empfänger nicht der Besteuerung, soweit sie auf Steuern entfallen, die gemäß § 12 Nr 3 EStG nicht abziehbar sind. Zinsen iSv § 233a AO, die der StPfl an das FA zahlt (Nachzahlungszinsen), gehören zu den nach § 12 Nr 3 EStG nicht abziehbaren Ausgaben.

Die zu versteuernden Erstattungszinsen sind der Höhe nach nicht in allen Fällen identisch mit den in einem Zinsbescheid im Festsetzungsteil festgesetzten auszuzahlenden Erstattungsbeträgen. Denn aufgrund von § 233a Abs 5 S 3 AO kann es bei der Zinsfestsetzung dazu kommen, dass Erstattungszinsen und Nachzahlungszinsen verrechnet werden. Der festgesetzte Zinsbetrag kann aus um Nachzahlungszinsen gekürzten Erstattungszinsen bestehen (dazu s Jachmann-Michel, BB 2021, 3031, 3033).

Bis 1999 konnten Nachzahlungszinsen als Sonderausgaben abgezogen werden. Diese Regelung ist durch die Aufhebung von § 10 Abs 1 Nr 5 EStG ersatzlos entfallen; die Erstattungszinsen mussten nach wie vor versteuert werden, während die Nachzahlungszinsen nicht mehr abgezogen werden durften. Nach überholter Ansicht des BFH vom 18.02.1975, VIII R 104/70, BStBl II 1975, 568; BFH vom 08.04.1986, VIII R 260/82, BStBl II1986, 557; BFH vom 25.10.1994, VIII R 79/91, BStBl II 1995, 121; BFH vom 30.06.2009, VIII B 8/09, BFH/NV 2009, 1997, gehörten Erstattungszinsen nach § 233a AO zu den Einnahmen aus KapVerm. Mit oa Urteil vom 15.06.2010 ändert der Senat seine bisherige Rspr mit der Begründung, dass sie einer Korrektur insoweit bedarf, als sie eine Bedeutung der Regelung in § 12 Nr 3 EStG für die StPfl der Erstattungszinsen schlechthin verneint hat.

Als Reaktion auf das Urteil hat der Gesetzgeber die Wiederherstellung der StPfl von Erstattungszinsen in der Art eines "Nichtanwendungsgesetzes gegenüber der neuesten BFH-Rspr" ins JStG 2010 aufgenommen. Ausweislich der Gesetzesbegründung handelt es sich lediglich um eine Klarstellung: Die Steuerbarkeit der Erstattungszinsen sei sachlich zutreffend, weil ohne eine derartige Regelung ein StPfl, der zum Ausgleich für verspätete ESt-Erstattungen Zinsen vom FA erhält, steuerlich günstiger gestellt sei als ein StPfl, der seine vor Beginn des Zinslaufs nach § 233a AO erhaltenen ESt-Erstattungen zinsbringend bei seiner Bank anlege.

 

Rn. 648

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Kritisch ist erstens die zeitliche Anwendungsvorschrift und deren Begründung zu beurteilen: § 20 Abs 1 Nr 7 S 3 EStG soll nach der Anwendungsregelung in § 52a Abs 8 S 2 EStG idF JStG 2010 in allen Fällen anzuwenden sein, in denen die ESt noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, dh in allen noch offenen Fällen. Auch wenn in der Regelung eine echte Rückwirkung enthalten sollte, so hat der StPfl nach Ansicht des BFH kein schützenwertes Vertrauen. Ein solches hätte sich erst durch Veröffentlichung der Rspr-Änderung am 08.09.2010 entwickeln können. An dem Fortbestand eines Vertrauens an der alten Rspr fehle es aufgrund der Beratungen im Gesetzgebungsverfahren zum JStG 2010 sowie des relativ kurzen Zeitraums zwischen der Veröffentlichung des Urteils und dem Inkrafttreten des JStG 2010 am 14.12.2010 (BFH vom 12.11.2013, BFH/NV 2014, 830; Verfassungsbeschwerde eingelegt unter 2 BvR 482/14). Einwendungen gegen die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Zinshöhe sind vorrangig im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Zinsfestsetzung und nicht im Erlassverfahren geltend zu machen: BFH vom 03.12.2019, VIII R 25/17, BStBl II 2020, 214.

Kritisch ist zweitens die fehlende Korrespondenz zwischen Nichtabzug der Nachzahlungszinsen und Besteuerung der Erstattungszinsen zu betrachten. Nach Ansicht des BFH liegen dem Entstehen von Nachforderungsansprüchen einerseits und Erstattungsansprüchen andererseits unterschiedliche Sachverhalte zugrunde, nämlich in einem Fall zu geringe Vorleistungen auf die entstandene Steuerschuld, im anderen Fall eine Überzahlung, so dass es an einer Ungleichbehandlung iSd Art 3 GG schon fehle (BFH vom 12.11.2013, BFH/NV 2014, 830; Verfassungsbeschwerde eingelegt unter 2 BvR 482/14).

 

Rn. 649

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Aus Gründen sachlicher Härte sind auf Antrag Erstattungszinsen iSd § 233a AO nicht zu versteuern, soweit ihnen steuerlich nicht abziehbare Nachzahlungszinsen gegenüberstehen, die auf ein und demselben Ereignis beruhen (zB infolge Bp; Billigkeitsregelung BMF vom 05.10.2000, BStBl I 20...

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