Rn. 444

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Gemäß § 20 Abs 1 Nr 1 S 4 EStG (Aktiengeschäfte in zeitlicher Nähe zum Ausschüttungstermin) gelten als sonstige Bezüge auch die Einnahmen, die anstelle der Bezüge iSd Abs 1 von einem anderen als dem Anteilseigner (gemäß § 20 Abs 5 EStG) bezogen werden, wenn die Aktien mit Dividendenberechtigung erworben, aber ohne Dividendenanspruch geliefert werden (Dividendenkompensationszahlung, manufactured dividends). Diese Regelung wurde durch das JStG 2007 (BGBl I 2006, 2878) eingefügt.

Es handelt sich in der Praxis meistens um sog Leerverkäufe. Mit der Regelung wird für solche Geschäfte eine einheitliche, den internationalen Gepflogenheiten entsprechende Verfahrensregelung festgelegt, die eine eindeutige Zurechnung der Aktien nach den deutschen steuerrechtlichen und wertpapierrechtlichen Vorschriften sicherstellt und den abwicklungstechnischen Erfordernissen Rechnung trägt.

  • Der steuerrechtlich unproblematische Grundfall von Aktiengeschäften, die in zeitlicher Nähe zum Ausschüttungstermin abgeschlossen werden, stellt sich vereinfacht wie folgt dar (nach den Börsenbedingungen ist der Lieferzeitpunkt – Erfüllungsgeschäft – 2 Tage nach Kauf-Order): Nach § 39 AO wird Kunde Y mit Abgabe der Kauf-Order zum wirtschaftlichen Eigentümer mit der Folge, dass ihm die Aktien steuerlich zuzurechnen sind. Demzufolge erhält allein Kunde Y die Nettodividende (Bruttodividende nach Abzug von KapSt) und einen KapSt-Anrechnungsanspruch.
  • In dem Sonderfall eines sog Leerverkaufs, bei dem der Verkäufer die Aktien selbst erst beschaffen muss und der Erwerb dieser Wertpapiere durch den Veräußerer erst zu einem Zeitpunkt möglich ist, in dem bereits der Dividendenabschlag vorgenommen wurde, ist der betreffende Aktienbestand im Zeitpunkt der Dividendenzahlung noch im rechtlichen Eigentum eines Dritten, dem seinerseits auch die Dividende und der damit verbundene KapSt-Anrechnungsanspruch als rechtlichem Eigentümer der Aktien zustehen. Deshalb sind in diesem Fall zusätzliche Regelungen notwendig, um dem Fiskus die KapSt betragsmäßig zur Verfügung zu stellen, die dem Anrechnungsanspruch entspricht, der dem Aktienerwerber als wirtschaftlichem Eigentümer und Dividendenbezieher zusteht. Dieses Ergebnis ist insbesondere bei Girosammelverwahrung der Aktien und angesichts der Börsenusancen nicht zu vermeiden.

§ 20 Abs 1 Nr 1 S 4 EStG bestimmt, dass die dort näher umschriebenen Einnahmen mit den anderen Dividenden gleichgestellt werden. Die Regelung ist Grundlage für den KapSt-Abzug. In der Sache handelt es sich nicht um die vom Emittenten gezahlte Dividende, sondern um eine Zahlung des Verkäufers zum Ausgleich dafür, dass er dem Erwerber neben der Aktie nicht auch den zwischenzeitlich entstandenen Anspruch auf Auszahlung der Dividende vermittelt (Dividendenkompensation; auch BFH vom 04.03.2020, I B 57/18, BFH/NV 2020, 1236). Es geht nicht um einen sonstigen Bezug aus der Aktie selbst, sondern um eigenständige Einnahmen anstelle der Dividende. Für die steuerliche Behandlung dieser Kompensationszahlungen gelten die gleichen Regeln wie für originäre Dividenden, zB bei Erhebung der KapSt.

Neben den in der Praxis meist auftretenden sog Leerverkäufen handelt es sich weiterhin um die Belieferung von Aktienverkäufen "cum Dividende" mit über Wertpapierdarlehen erworbenen Papieren "ex Dividende" (zu Cum-/Ex-Geschäften s FG Köln vom 19.07.2019, 2 K 2672/17, EFG 2020, 367, nachgehend BFH vom 02.02.2022, I R 22/20, BStBl II 2022, 324; Schön, RdF 2015, 115; Knigge/Wilting, ZWH 2019, 37 und 69; zu der Zurechnung von Anteilen in Zusammenhang mit Cum-/Ex-Geschäften BFH vom 16.04.2014, BFH/NV 2014, 1813). Dieses Instruments bedienen sich meistens die Abwicklungsabteilungen der Banken, wenn sie feststellen, dass kein Lieferbestand vorhanden ist. Daneben gibt es aber auch Pannen oder Unzulänglichkeiten bei der Belieferung von über den Dividendenstichtag abzuwickelnden Veräußerungsgeschäften "cum Dividende", die auf unterschiedliche Gründe zurückgeführt werden können, insbesondere Probleme im Erfüllungsgeschäft (sog Fails). Hier kann es ebenfalls zu mehrfachem Ausweis und zur mehrfachen Anrechnung von KapSt kommen. Auch diese Sachverhalte werden von der Gesetzesformulierung erfasst.

Die Regelung enthält hinsichtlich der Verwahrform der Aktien (idR Girosammelverwahrung) und im Hinblick auf die Handelsform (Börsenhandel oder außerbörslich) keine Einschränkung.

Zur Steuerbescheinigung bei über den Dividendenstichtag noch zu regulierenden Geschäften s BMF vom 05.05.2009, BStBl I 2009, 631.

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