Rn. 256

Stand: EL 156 – ET: 02/2022

Mit Urt BFH BStBl III 1957, 17 hat der BFH erstmals den Grundsatz aufgestellt, dass für nach sachlichen Gesichtspunkten verschiedene Tätigkeitsbereiche eine getrennte Beurteilung auch dann angezeigt ist, wenn sie sachlich und wirtschaftlich miteinander verflochten sind, es sich also um gemischte Tätigkeiten handelt. Übt ein Freiberufler neben seiner berufstypischen Tätigkeit auch eine andere, sich wesensmäßig davon unterscheidende selbstständige Tätigkeit aus, die nicht unter § 18 Abs 1 Nr 1 EStG fällt, so ist regelmäßig eine getrennte Beurteilung geboten (BFH BStBl III 1957, 17; 1961, 210; BStBl II 1986, 213; 1989, 965; 1990, 534).

Voraussetzung der getrennten Beurteilung ist jedoch, dass die Tätigkeitsbereiche nicht unauflöslich miteinander verflochten sind, weswegen die Tätigkeit nach der Verkehrsauffassung als einheitliche anzusehen ist (BFH BStBl II 1974, 383; 1976, 155; 1990, 17; 1992, 413; 1994, 864; 1997, 567; 2002, 478; 2003, 25; 2004, 363; BFH/NV 1987, 156; 2001, 204; 2009, 758). Das gilt auch, wenn sich die verschiedenen Tätigkeiten gegenseitig fördern (BFH BStBl II 1981, 746) oder die zur anderweitigen Tätigkeit führenden Geschäftskontakte der freiberuflichen Tätigkeit entspringen (BFH BStBl II 1993, 324; BFH/NV 1999, 1328).

Diesen Gesichtspunkt hat der BFH dahin erweitert, dass eine getrennte Betrachtung auch bei derselben bzw einer gleichartigen Tätigkeit angezeigt sein kann, wenn zB einzelne Aufträge eigenverantwortlich, andere nicht eigenverantwortlich erledigt werden (BFH BStBl II 2009, 143, hierzu s Rn 241, 241a). Das bedeutet auch, dass die Würdigung sich am einzelnen Projekt bzw Auftrag zu orientieren hat. Sie kann ergeben, dass der StPfl mit derselben Tätigkeit im Hinblick auf bestimmte Aufträge freiberuflich, im Hinblick auf andere gewerblich tätig ist (schon BFH BStBl II 1993, 324). Auch bei einer durch Verpachtung wesentlicher Betriebsgrundlagen (zB Mandantenstamm) begründeten Betriebsaufspaltung ist bei einem Einzelunternehmen eine Trennung möglich (BFH BFH/NV 2011, 1135 zu FG Mchn EFG 2011, 47; BFH BFH/NV 2018, 522); anders bei einer PersGes (BFH BStBl II 1998, 254; s Rn 275).

Entscheidend ist daher grundsätzlich die Art der Marktteilnahme bzw das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit. Für eine getrennte Beurteilung kann jedoch auch eine getrennte Buchführung (BFH BStBl III 1961, 210; 1962, 131; 1963, 42; 1963, 595; 1965, 90; 1965, 148; BStBl II 1976, 641; 1993, 324) sprechen (diese Abgrenzung hat der BFH mehrfach bestätigt), nicht jedoch die Tatsache, dass sich eine Trennung im Wege der Schätzung denken lässt (s Rn 257).

Ob die gewerbliche Tätigkeit berufsrechtlich zulässig ist, ist für die Trennung nicht von Bedeutung (BFH BStBl II 1982, 340; 1984, 129).

 

Rn. 257

Stand: EL 156 – ET: 02/2022

Die Trennung selbst kann, wenn eine getrennte Buchführung nicht vorliegt auch im Wege der Schätzung nach § 160 AO erfolgen (vgl BFH BStBl III 1961, 210; BStBl II 1984, 129; 1991, 889; 2009, 143; H 15.6 EStH 2020 "Gemischte Tätigkeit"). Allerdings darf die Schätzung nicht dazu führen, dass nicht nur fiktive Einnahmen und Ausgaben angesetzt, sondern dass die Tätigkeiten insgesamt als trennbar fingiert werden. So darf etwa ein Schriftsteller und Verleger Autorenhonorare für eigene Schriften nicht aus den Gesamterlösen des Verlags herausrechnen; ein solches Verfahren ist mit den Wertungsgrundlagen des ESt-Rechts nicht vereinbar (BFH BStBl II 1979, 236; missverständlich daher Hutter in Blümich, § 18 EStG Rz 67: Trennbarkeit durch Schätzung).

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