Rn. 95

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Pfandrechte und Nießbrauch begründen grds kein wirtschaftliches Eigentum an den Anteilen einer KapGes (Pung in D/P/M, § 17 EStG Rz 190; Levedag in Schmidt, § 17 EStG Rz 57 (42. Aufl); Jäschke in Lademann, § 17 EStG Rz 118 (231. EL)).

Der BFH hat jedoch (für einen wohl atypisch gelagerten Fall) entschieden, dass Anteile an KapGes dem Nießbraucher bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt weiterhin iSd § 17 EStG zuzurechnen sind, wenn dieser nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann (BFH vom 24.01.2012, IX R 51/10, BStBl II 2012, 827; vgl hierzu auch Schmieszek in Berrmann/Gosch, AO, § 39 Rz 63; Daragan, ZEV 2012, 284, 286).

 

Rn. 96

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Problematisch ist jedoch, dass das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung zwingend dem zivilrechtlichen Gesellschafter zusteht (§ 47 GmbHG). Einer Übertragung des Stimmrechts auf den Nießbraucher steht das Abspaltungsverbot entgegen, Mitgliedschaft und Stimmrecht gehören untrennbar zusammen. Abweichende Vereinbarungen sind unwirksam (vgl Langenfeld/Miras, GmbH-Vertragspraxis, § 1 Rz 798; strittig umfassend Wedemann, NZG 2013, 1281).

ME ist für eine Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums der Gesellschaftsanteile beim Nießbraucher jedoch vor allem entscheidend, dass diesem die Substanz und nicht "nur" der Ertrag aus den Gesellschaftsanteilen zusteht. Andernfalls ist der zivilrechtliche Eigentümer lediglich Nutzungsberechtigter, aber kein wirtschaftlicher Eigentümer iSd § 39 Abs 2 Nr 1 AO. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Veräußerungserlös dem Gesellschafter und nicht dem Nießbraucher zusteht, wenn der Gesellschafter seine mit dem Nießbrauch belasteten Gesellschaftsanteile veräußert (OLG Bremen vom 20.04.1970, 1 U 2/70, DB 1970, 1436). Folglich wird bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt im Regelfall eine unveränderte Zurechnung der Anteile für Zwecke des § 17 EStG beim Beschenkten (dem zivilrechtlichen Eigentümer) und nicht beim Schenker (Nießbraucher) vorzunehmen sein (glA Pung in D/P/M, § 17 EStG Rz 190; Levedag in Schmidt, § 17 EStG Rz 57 (42. Aufl); Jäschke in Lademann, § 17 EStG Rz 118 (231. EL)). Anderes wird nur dann gelten, wenn der Nießbraucher aufgrund einer Ermächtigung nach § 185 Abs 1 BGB oder einer Vollmacht den Anteil auf eigene Rechnung verwerten kann und darf, oder wenn ihm der Erlös aus einer Veräußerung zusteht, die der Gesellschafter nach eigenem Ermessen vornimmt (Daragan, ZEV 2012, 284, 287).

Aus erbschaftsteuerlicher Sicht kann in diesen Fällen – obwohl für Zwecke des § 17 EStG keine Übertragung stattfindet – die Verschonung für BV gemäß § 13b Abs 1 Nr 3 ErbStG in Anspruch genommen werden (Götz, DStR 2013, 448, 449).

Bei einer Schenkung des zivilrechtlichen Eigentums unter Nießbrauchsvorbehalt sollte in der steuerlichen Gestaltungsberatung in jedem Fall eine vorherige Abstimmung mit der FinVerw im Rahmen einer verbindlichen Auskunft erfolgen. Die Praxis zeigt, dass solche Gestaltungen mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sind und hier mitunter abweichende Meinungen vertreten werden.

 

Rn. 97

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Da der Vorbehaltsnießbraucher im Regelfall nicht wirtschaftlicher Eigentümer der Gesellschaftsanteile bleibt, findet eine spätere entgeltliche Ablösung des Nießbrauchs auf der nicht steuerbaren privaten Vermögensebene statt. Wie auch bei der Übertragung von privaten Immobilien gegen Vorbehaltsnießbrauch (hierzu Meyer/Ball, DStR 2011, 1211ff; BMF vom 24.07.1998, BStBl I 1998, 914 Tz 58), ist die spätere entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchsrechts ein selbstständiges Rechtsgeschäft und kein Teil der vorherigen Übertragung gegen Nießbrauchsvorbehalt als nachgeschobene Auflage der ursprünglichen Schenkung (Ablehnung des sog "Surrogationsprinzips", BFH vom 14.06.2005, VIII R 14/04, DStR 2005, 1853 mwN). Dies gilt hingegen nicht, wenn eine "zeitlich gestreckte Vermögensübergabe" vorliegt und bereits bei der Anteilsübertragung gegen Nießbrauchsvorbehalt ein späterer entgeltlicher Verzicht vereinbart oder beabsichtigt war (Gesamtplan). Durch die Nichtsteuerbarkeit der Ablösezahlung und dadurch gleichwohl vorliegender nachträglicher AK beim Gesellschafter der Anteile können sich im Einzelfall mitunter erhebliche steuerliche Vorteile ergeben, was jedoch letztlich zu nicht systematischen Ergebnissen führt (vgl Paus, DStZ 2006, 112).

Da mit dem Entgelt für den Verzicht auf den Nießbrauch ein Veräußerungsgeschäft (des Nießbrauchsrechts im steuerlichen PV) vorliegt, liegen hiermit auch keine sonstigen Einkünfte vor (Jäschke in Lademann, § 17 EStG Rz 367 (231. EL)); aA jedoch ggf aufgrund eines obiter dictum BFH vom 18.11.2014, IX R 49/13, BStBl II 2015, 224 Tz 11:

Zitat

"Der Umstand, ob gegebenenfalls eine Erfassung der Ablösezahlung […] als Entschädigung für die entgangenen Dividendenansprüche nach § 24 Nr 1, § 20 Abs 1 Nr 1 S 1, § 20 Abs 2...

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