1. Begriff

 

Rn. 300

Stand: EL 172 – ET: 04/2024

Die Betriebsaufspaltung hat ihren Ursprung in der zivilrechtlichen Überlegung (auch s Rn 310), wertvolles AV (Grundbesitz, Patente, wertvolle Maschinen) der operativ tätigen (Betriebs-)KapGes nicht als EK zuzuführen (im Insolvenzfall Teil der Masse), sondern nur pachtweise zur Verfügung zu stellen. Aufgrund der Pachtzahlungen verlagert sich – soweit Neu- und Ersatzinvestitionen übersteigend – Liquidität tendenziell in das Besitz-Unternehmen. Bei Darlehensgewährung zurück an die Betriebs-KapGes (Hinweis auf den Nachrang gegenüber den Forderungen von Insolvenzgläubigern, es sei denn, Beteiligung unter 10 % ohne Geschäftsführung, § 39 Abs 1 Nr 5, Abs 5 InsO).

Betriebswirtschaftlich betrachtet liegt eine Betriebsaufspaltung vor, wenn mindestens zwei Unternehmen sachlich und personell so eng verbunden sind, dass sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Wirtschaftseinheit darstellen.

Durch das höchstrichterlich schon vom RFH (ua s RFH RStBl 1945,34) entwickelte Rechtsinstitut der "Betriebsaufspaltung" wird – abgestellt auf den Regelfall – eine von Einzelpersonen oder GbR/PersGes durchgeführte Verpachtung von WG des AV an eine Betriebs-KapGes, die, isoliert betrachtet, nur vermögensverwaltend ist (es sei denn, es kommt § 15 Abs 3 EStG zur Anwendung), als gewerbliche Tätigkeit iSv § 15 Abs 1 S 1 Nr 1, Abs 2 EStG und § 2 Abs 1 GewStG umqualifiziert.

Eine gesetzliche Verankerung der Tatbestandsmerkmale der Betriebsaufspaltung erfolgte erstmals in § 50i S 3 EStG idF AmtshilfeRLUmsG vom 26.06.2013 (BGBl I 2013, 1809; s vor § 1 Rn 210 (Bitz). Der Satz lautet wie folgt:

Zitat

"Die Sätze 1 und 2 gelten sinngemäß, wenn WG vor dem 29.06.2013 BV einer PersGes geworden sind, die deswegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, weil der StPfl sowohl im überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betrieb allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen kann und dem nutzenden Betrieb eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlässt."

Aus der Spezialregelung § 50i S 3 EStG aF zu DBA (inzwischen § 50i Abs 1 S 4 EStG: s Rn 18b und s § 50i Rn 2 und 4 (Loose)) eine allgemeine Rechtsgrundlage für die Betriebsaufspaltung mit den Rechtsfolgen gemäß s Rn 301 herzuleiten, ist aber nicht zwingend, so zu Recht Prinz, DB 2013, 1378. Nach Crezelius, FR 2013, 1068, 1070 zeigt sich hier deutlich, dass der Steuergesetzgeber sich in einem nicht kodifizierten Subsystem verläuft und plädiert deshalb für ein zumindest restriktives Verständnis des "Konstrukts" (auch s Rn 305).

Wegen der Rechtsfolgen im Einzelnen s Rn 301, Kritik dazu s Rn 305.

Wegen der Grundformen der Betriebsaufspaltung und den möglichen Rechtsträgern s Rn 302.

Wegen der zivil- und arbeitsrechtlichen Aspekte und der steuerlichen Vor- und Nachteile einer Unternehmensspaltung im Einzelnen s Rn 310ff.

Wegen der steuerlichen Aspekte der Begründung einer Betriebsaufspaltung s Rn 375, der Beendigung s Rn 400–416.

Wegen der Abgrenzung zur Mitunternehmerschaft (Vorrang der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung vor Sonder-BV) und zur Betriebsverpachtung im Ganzen s Rn 29.

2. Rechtsfolgen

 

Rn. 301

Stand: EL 172 – ET: 04/2024

Die Umqualifizierung der Tätigkeit des Besitzunternehmens von Vermögensverwaltung zu Gewerbe wurde früher gestützt auf den betriebswirtschaftlich motivierten Gedanken der Wirtschaftseinheit.

Die Vorstellung vom wirtschaftlich einheitlichen Unternehmen wurde als steuerlich maßgebliches Kriterium jedoch aufgegeben durch den Beschluss des GrS des BFH BStBl II 1972, 63 (hierzu s auch Groh, DB 1989, 748, 749; BFH BStBl II 1994, 466; 1992, 349), der die Existenz zweier, auch steuerlich getrennter, Unternehmen anerkannte, was wegen deren einheitlichem geschäftlichem Betätigungswillen mittels sachlicher und personeller Verflechtung zu dem angeblich dogmatisch verfestigten Rechtsgrund einer originär gewerblichen Tätigkeit des Besitzunternehmens gemäß § 15 Abs 1 S 1 Nr 1, Abs 2 EStG führt (so BFH vom 17.11.2020, I R 72/16, DStR 2021, 1149, Rz 27 und s Rn 303; BFH BStBl II 2002, 662; 1998, 478; 1989, 455; 1982, 662; 1957, 303

Zur in s Rn 303 näher dargestellten Grundentscheidung des BFH vom 17.11.2020 zwischen Monismus (einheitliches Unternehmen) und Dualismus (zwei getrennte Unternehmen) sowie den rechtlichen Ableitungen daraus, die sich nur im Akkord aller betroffenen BFH-Senate werden verstetigen lassen, Verweis auf die tiefgehende historische Analyse von Wacker, FR 2021, 521 zu III.

Die Umqualifizierung von Vermögensverwaltung zu originärer Gewerblichkeit führt bei Besitz-PersGes zur Anwendung der Abfärberegelung (§ 15 Abs 3 Nr 1 EStG; s Rn 153–157) auf eine, isoliert betrachtet, nur vermögensverwaltendeTätigkeit, sodass alle von der Besitz-PersGes ansonsten erzielten Einkünfte (im Urteilsfall hatte die Besitz-GbR ein Lager- und Verwaltungsgebäude teilweise an eine Betriebs-GmbH und teilweise an ein fremdes Unternehmen vermietet, Letzteres wäre, isoliert betrachtet, Vermögensverwaltung gewesen) in...

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