Rn. 180a

Stand: EL 156 – ET: 02/2022

Die Vorschrift soll dazu dienen, dass Wettbewerbsverzerrung gegenüber der Landwirtschaft zu deren Ungunsten entgegengewirkt wird. Mit dem Ausgleichs- und Abzugsverbot des § 15 Abs 4 S 1 u 2 EStG wird der Schutz der traditionellen Tierzucht und Tierhaltung auf selbstbewirtschafteten ausreichenden landwirtschaftlichen Flächen vor der industriellen Tierproduktion bezweckt (s zB BFH BStBl II 1990, 152).

Im schriftlichen Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zur BT-Drucks VI/2350 (neu) betreffend das EStRG 1974 heißt es unter II. Begründung der Änderungs- und Ergänzungsvorschläge Art 1 Nr vor 1 (§ 2a EStG):

Zitat

"Gewerbliche Tierhaltungsbetriebe erwirtschaften insbesondere in den ersten Jahren ihres Bestehens vornehmlich durch Inanspruchnahme der Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs 2 buchmäßige Verluste. Die Möglichkeit, solche Verluste mit anderen positiven Einkünften auszugleichen, ist für StPfl mit hohen Einkommen idR der Hauptgrund für den Erwerb einer Beteiligung an gewerblichen Tierhaltungs- oder Tierzuchtunternehmen. Die Wettbewerbsstellung der Landwirtschaft wird dadurch erheblich beeinträchtigt. Da jedoch sichergestellt werden muss, dass modern strukturierte landwirtschaftliche Betriebe auch in Zukunft ihren Platz in der Veredelungswirtschaft behaupten können, hält der Ausschuss es für geboten, durch einen neuen § 2a auszuschließen, dass Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb oder mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden können. Ergänzend wird vorgesehen werden, dass diese Verluste auch nicht in späteren VZ nach § 10d als SA vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden können. Sie sollen jedoch in den fünf folgenden VZ die aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung erzielten Gewinne mindern dürfen."

Man hätte im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Frage, wie die Verluste bei gemischten Betrieben zu ermitteln sind, stattdessen in § 6 Abs 2 EStG eine Vorschrift aufnehmen sollen, die die Abschreibungsfreiheit für Tiere in gewerblichen Betrieben verboten hätte. Keine Rede kann allerdings davon sein, dass etwa nur Verluste unberücksichtigt blieben, die bei gewerblichen Tierzucht- und Tierhaltungsbetrieben durch die Inanspruchnahme der Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs 2 EStG bei Tieren entstehen. Es sind alle Verluste vom Verlustausgleich und vom Verlustabzug "nach Maßgabe" des § 10d EStG ausgeschlossen, die aus solchen Betrieben entstehen (BFH BStBl II 1981, 359).

Die Vorschrift ist entsprechend dem Gesetzeszweck restriktiv auszulegen:

(1) Wird neben einer Tierzucht oder Tierhaltung, die für sich gesehen wegen des Vorhandenseins der erforderlichen landwirtschaftlichen Flächen als luf Tätigkeit einzuordnen wäre, eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt, ist darauf § 15 Abs 4 EStG nicht anzuwenden, auch wenn die Tierzucht oder Tierhaltung sich nur als Nebenbetrieb der gewerblichen Tätigkeit darstellt, dh mit dem gewerblichen Hauptbetrieb in einer planmäßigen, dessen Interesse fördernden Weise verbunden ist: BFH v 01.02.1990, BStBl II 1991, 625 zum Nebeneinander von verlustbringender Rinderzucht und gewerblicher Herstellung und Vertrieb von Fleisch und Fleischerzeugnissen, auch s BFH v 26.03.1992, BFH/NV 1992, 655; aA Stuhrmann in Brandis/Heuermann, § 15 EStG Rz 654, ohne Begründung).
(2) Wird im Rahmen eines einheitlichen Gewerbebetriebs eine gewerbliche Tierzucht iSv § 15 Abs 4 EStG betrieben, so ist der Verlust aus gewerblicher Tierzucht im Weg der Schätzung (insb für die Abgrenzung der nicht unmittelbar zurechenbaren Aufwendungen) auszugliedern: BFH v 21.09.1995, BStBl II 1996, 85, während die Gewinne und Verluste aus der anderen gewerblichen Tätigkeit dieses Betriebs nach allg Grundsätzen besteuert werden (so BFH v 08.11.2000, BStBl II 2001, 349 zu II.3.). Andererseits werden Gewinne aus Tierzucht und Tierhaltung in solchen Betrieben auch durch frühere nach § 15 Abs 4 EStG behandelte Verluste gemindert. Für die Ermittlung des Verlusts müssen noch Grundsätze entwickelt werden, insb für die Abgrenzung der nicht unmittelbar zurechenbaren Aufwendungen. Ggf muss geschätzt werden.

Zur Verfassungsmäßigkeit hat der BFH festgestellt, dass die Regelung weder gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG noch gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art 12 Abs 1 GG oder sonstige Verfassungsgrundsätze verstößt und sowohl mit der Verfassung als auch mit dem Recht der EU vereinbar ist, und zwar ungeachtet des Umstands, dass sie vor allem als agrarpolitische Maßnahme gegen Abschreibungsgesellschaften gerichtet war. Die fortschreitenden Strukturveränderungen in den landwirtschaftlichen Betrieben sind nicht derart gewichtig, dass der vom Gesetzgeber intendierte Schutz der traditionellen Landwirtschaft de facto leerlaufen und damit die sachliche Rechtfertigung für das Verlustausgleichsverbot entfallen würde: so BFH v 24.04.2012, BFH/NV 2012, 1313.

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