Rn. 136

Stand: EL 166 – ET: 08/2023

Nach der durch das JStG 2007 – klarstellend – (vgl BT-Drucks 16/2712, 44) eingefügten Regelung findet die Regelung des § 11 Abs 2 S 3 EStG über die gleichmäßige Verteilung von im Voraus für eine Nutzungsüberlassung von mehr als 5 Jahren geleisteten Ausgaben keine Anwendung auf ein Disagio oder ein Damnum, soweit dies marktüblich ist. Zum einen muss es sich um ein Damnum oder Disagio handeln, also um die Vorauszahlung eines Teils des Darlehenszinses als Entgelt für die Kapitalnutzung, vgl BFH vom 12.07.1984, IV R 76/82, BStBl II 1984, 713; BFH vom 20.10.1999, X R 69/96, BStBl II 2000, 259; BFH vom 24.11.1999, X R 144/96, BStBl II 2000, 263; BFH vom 08.03.2016, IX R 38/14, BStBl II 2016, 646. Es handelt sich um den Unterschiedsbetrag zwischen dem Nennbetrag des Darlehens, der zurückzuzahlen ist und dem Betrag, der tatsächlich an den Darlehensnehmer ausgezahlt wird (Verfügungsbetrag).

Wird das Damnum durch ein weiteres Darlehen in Höhe des Damnums finanziert, liegt eine Tilgungsstreckung vor und somit eine Stundung des Damnums. Das Damnum ist in diesem Fall erst in Höhe der Tilgungszahlungen auf das weitere Darlehen abgeflossen, BFH vom 13.09.1994, IX R 20/90, BFH/NV 1995, 293.

Zum Disagio bei der Ausgabe einer Schuldverschreibung vgl BFH vom 13.10.1987, VIII R 156/84, BStBl II 1988, 252, 256: Zufluss des Unterschiedsbetrags beim Gläubiger bei Rückgabe der Schuldverschreibung.

Soweit der Vorauszahlungszeitraum 5 Jahre nicht überschreitet, findet § 11 Abs 2 S 3 EStG von vornherein auf ein Damnum oder Disagio keine Anwendung, da § 11 Abs 2 S 3 EStG nur Ausgaben für Vorauszahlungszeiträume bzw Zinsfestschreibungszeiträume von mehr als 5 Jahren betrifft, vgl Martini in Brandis/Heuermann, § 11 EStG Rz 46 (August 2022). § 11 Abs 2 S 4 EStG ordnet die Nichtanwendung des § 11 Abs 2 S 3 EStG an. Dies betrifft sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs 2 S 3 EStG als auch seine Rechtsfolgen. Erfüllt ein Sachverhalt bereits nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs 2 S 3 EStG, kann auch die von § 11 Abs 2 S 4 EStG angeordnete Nichtanwendung auf ein marktübliches Damnum nicht eingreifen. Ein Sofortabzug des Damnums ist in diesen Fällen – vorbehaltlich des nach § 11 Abs 2 S 5 EStG weiterhin anwendbaren § 42 AO – in voller Höhe möglich.

Beläuft sich der Vorauszahlungszeitraum hingegen mindestens auf die Dauer von 5 Jahren, findet § 11 Abs 2 S 3 EStG, der eine gleichmäßige Verteilung der Ausgabe vorsieht, Anwendung, soweit das Damnum marktüblich ist. Marktüblichkeit besteht nach der Verwaltungsauffassung dann, wenn das Damnum maximal 5 vH des Nennbetrags des Darlehens beträgt, vgl BR-Drucks 622/06, 617; BT-Drucks 16/2712, 44; BMF vom 20.10.2003, BStBl I 2003, 546. Allerdings ist der Nachweis eines höheren marktüblichen Damnums nicht ausgeschlossen, vgl Kister in H/H/R § 11 EStG Rz 128 (April 2021): kein fester Prozentsatz für die Marktüblichkeit; Auffassung des BMF als Nichtbeanstandungsgrenze.

Was marktüblich ist, ist nach BFH vom 08.03.2016, IX R 38/14, BStBl II 2016, 646 im Rahmen tatrichterlicher Würdigung nach den aktuellen Verhältnissen auf dem Kapitalmarkt bezogen auf das konkrete finanzierte Objekt zu entscheiden. Die Marktüblichkeit ist nicht an einen festen Zinssatz zu koppeln. Sie ist indiziert, wenn eine Zins- und Disagiovereinbarung mit einer Geschäftsbank wie unter fremden Dritten üblich abgeschlossen wird. Diese Vermutung kann durch die zu prüfenden Einzelumstände der Vertragsgestaltung widerlegt werden, BFH vom 08.03.2016, IX R 38/14, BStBl II 2016, 646; kritisch dazu Krüger in Schmidt, § 11 EStG Rz 44 (42. Aufl); Beck, DStR 2016, 2628.

 

Rn. 137

Stand: EL 166 – ET: 08/2023

Überschreitet das Damnum den Rahmen des Marktüblichen, ist nicht das gesamte Damnum, sondern nur der darüber hinausgehende – marktunübliche – Betrag des Damnums auf den Vorauszahlungszeitraum, bei dessen Fehlen auf die Laufzeit des Darlehens gleichmäßig zu verteilen. Dies folgt aus der Formulierung des § 11 Abs 2 S 4 EStG "soweit dies (das Damnum) marktüblich ist".

 

Rn. 138

Stand: EL 166 – ET: 08/2023

Nach § 50 Abs 30 S 2 EStG ist die klarstellende Regelung in § 11 Abs 2 S 4 EStG rückwirkend für Grundstückkredite ab dem 01.01.2004 und im Übrigen ab dem 01.01.2005 anzuwenden. Eine unzulässige Rückwirkung liegt nicht vor, da bereits vor der Einführung des § 11 Abs 2 S 4 EStG die Nichtanwendung des § 11 Abs 2 S 3 EStG auf ein Damnum nicht beanstandet wurde (vgl BMF vom 15.12.2005, BStBl I 2005, 1052; BMF vom 05.04.2005, BStBl I 2005, 617); vgl auch Kister in H/H/R, § 11 EStG Rz 128 (April 2021)).

 

Rn. 139–145

Stand: EL 166 – ET: 08/2023

vorläufig frei

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