Leitsatz

Das FG Berlin-Brandenburg entschied mit Urteil vom 10.11.2015, dass Leistungen eines Laborarztes umsatzsteuerfrei sind, obwohl kein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient besteht. Mit dieser Entscheidung widerspricht das Gericht der Finanzverwaltung, die ein solches Vertrauensverhältnis für die Steuerfreiheit ausdrücklich fordert.

 

Sachverhalt

Ein Facharzt für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik (ohne kassenärztliche Zulassung) war in 2009 bis 2012 für ein Laborunternehmen tätig und erbrachte dabei in erster Linie ärztliche Hilfestellungen bei transfusionsmedizinischen Maßnahmen und Leistungen der Befunderhebung mit dem Ziel konkreter laborärztlicher Diagnosen. Das Finanzamt unterwarf die Umsätze dem 19 %-igen Regelsteuersatz. Es argumentierte, die Leistungen von klinischen Chemikern und Laborärzten beruhen nicht auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis zu den Patienten, wie es die Umsatzsteuerfreiheit für Heilbehandlungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG voraussetzt.

 

Entscheidung

Nach Ansicht des Finanzgerichts sind die Leistungen des Facharztes sehr wohl nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei.

Zunächst einmal stellte das Gericht fest, dass die Leistungen des Facharztes - auch unter Berücksichtigung des EU-Rechts - begünstigte Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin waren. Die vom Arzt flankierend erbrachten Organisations- und Beratungsleistungen erwiesen sich für das Finanzgericht lediglich als Nebenleistungen, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung (= Leistungen der Befunderhebung und ärztlicher Hilfestellung) teilten.

Nach Auffassung des Gerichts setzt die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG kein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten voraus, wie es die Finanzverwaltung unter anderem im BMF-Schreiben vom 20.11.2013 (BStBl. I 2013, 1581) fordert. Ein solches Erfordernis konnte das Gericht weder dem Wortlaut noch der Systematik des Umsatzsteuergesetzes und der Mehrwertsteuersystemrichtlinie entnehmen. Auch die einschlägige EuGH- und BFH-Rechtsprechung stütze die Verwaltungsauffassung nicht.

 

Hinweis

Das Finanzgericht hielt sich eng an die Ausführungen des FG Hamburg im Urteil vom 23.10.2013 (2 K 349/12), das für die Steuerbefreiung ebenfalls kein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten vorausgesetzt hat. Im Hamburger Verfahren ist die Revision zum Bundesfinanzhof letztlich an Zulässigkeitsfragen gescheitert, sodass eine höchstrichterliche Klärung bislang ausblieb.

Das FG Berlin-Brandenburg hat die Revision gegen sein Urteil nun ebenfalls zugelassen, sodass der Bundesfinanzhof möglicherweise in einem zweiten Anlauf die Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Ein Aktenzeichen des BFH-Verfahrens ist noch nicht bekannt.

 

Link zur Entscheidung

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.11.2015, 2 K 2409/13

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