Leitsatz

Während einer Auswärtstätigkeit von mindestens einer Woche entstandene Telefongebühren können als Werbungskosten abzugsfähig sein.

 

Normenkette

§§ 9 Abs. 1 Satz 1, 12 Nr. 1 Satz 2 EStG

 

Sachverhalt

Ein Marinesoldat war auf einer Fregatte tätig. Bei Einsatz auf hoher See und Aufenthalten in ausländischen Häfen entstanden ihm für 15 jeweils an Wochenenden geführte Telefonate mit Lebensgefährtin und Angehörigen Kosten von 252 EUR. Die machte er in seiner ESt-Erklärung als Werbungskosten geltend. Das FA versagte den Abzug. Das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 2.9.2009, 7 K 2/07, Haufe-Index 2306197, EFG 2010, 706) gab der Klage des Marinesoldaten statt, weil die beruflich bedingte Abwesenheit die private Veranlassung überlagere.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Vorinstanz mit den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen.

 

Hinweis

Der Besprechungsfall zeigt, dass sich die Frage, ob Aufwendungen der beruflichen oder privaten Sphäre zuzurechnen sind, in Grenzbereichen letztlich nur auf Grundlage von Wertungen beantworten lässt. Maßstäbe dafür bietet das EStG selbst; so legt das Urteil die Grundnorm des Werbungskostenabzugs (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) aufgrund der Einzeltatbestände des § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG aus.

1. Der Werbungskostenabzug setzt voraus, dass die Aufwendungen in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang zu einer Einkunftsart stehen (vgl. dazu BFH, Urteil vom 6.5.2010, VI R 25/09, BFH/NV 2010, 1718, BFH/PR 2010, 418). Davon kann bei den typischen privaten Aufwendungen wie Wohnung, Verpflegung, Bekleidung ebenso wenig wie bei den hier vorliegenden privaten Telefonaten mit Angehörigen und Freunden ausgegangen werden. Alle diese Aufwendungen sind im Grundsatz durch die Tatbestände des steuerlichen Existenzminimums, des Sonderausgabenabzugs oder des Abzugs als außergewöhnliche Belastungen schon erfasst und können nicht ein weiteres Mal – dann als Erwerbsaufwand – erfasst werden.

2. Das EStG enthält allerdings auch eine Reihe von Tatbeständen, die einen Aufwand, der grundsätzlich der privaten Sphäre zuzuordnen ist, so stark durch die berufliche/betriebliche Situation geprägt sehen, dass der private Veranlassungsbeitrag bei wertender Betrachtung ausnahmsweise unbedeutend ist. Das beste Beispiel bietet dafür noch immer die "Pendlerpauschale". Denn spätestens das Urteil des BVerfG vom 9.2.2008, 2 BvL 1/07, dazu stellte klar, dass die damit erfassten Aufwendungen im Grenzbereich von beruflicher Sphäre und privater Lebensführung liegen (Mobilitätskosten, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG). Weitere Beispiele sind der Verpflegungsmehraufwand (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG), die Kosten beruflich veranlasster auswärtiger Übernachtungen und insbesondere die beruflich begründete doppelte Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, Abs. 3 EStG). Auch die Rechtsprechung entwickelte Anwendungsfälle, bei denen privat veranlasste Aufwendungen durch berufliche Gründe derart überlagert sind, dass sie zum Werbungskostenabzug berechtigen (z.B. BFH, Urteil vom 28.3.2012, VI R 48/11, BFH/NV 2012, 1234, BFH/PR 2012, 264 – Lkw-Fahrer; BFH, Urteil vom 18.3.1988, VI R 90/84, Haufe-Index 62409, BStBl II 1988, 988 – Ferngespräch statt Familienheimfahrt).

3. Diese Grundsätze schreibt das Besprechungsurteil hier fort. Es ordnet Aufwendungen für Telefonate privaten Inhalts, die nach einer mindestens einwöchigen Auswärtstätigkeit entstehen, als beruflich veranlassten Mehraufwand der Erwerbssphäre zu. Wie in den o.g. Fällen überlagert auch hier die beruflich/betrieblich veranlasste Auswärtstätigkeit die privaten Gründe der Kontaktaufnahme. Der BFH zieht allerdings eine zeitliche Grenze von einer Woche. Dann aber sind die notwendigen privaten Dinge aus der Ferne nur durch – über den normalen Lebensbedarf hinausgehende Mehraufwendungen für Telekommunikation – zu regeln. Der berufliche Veranlassungszusammenhang verdrängt mithin – bei wertender Betrachtung – den Aspekt der privaten Lebensführung. Im konkreten Fall hatte der BFH gegen den vom FG angesetzten und berücksichtigten Aufwand (252 EUR) aus revisionsrechtlicher Sicht keine Bedenken.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 5.7.2012 – VI R 50/10

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