Leitsatz

Gehbehinderte Steuerpflichtige sind bei der Geltendmachung von Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastungen in der Regel auf den Pauschsatz von 0,30 EUR je Entfernungskilometer beschränkt. Außergewöhnliche Umstände, die ausnahmsweise eine Überschreitung der Pauschsätze zulassen liegen jedoch dann vor, wenn ein an Multipler Sklerose erkrankter Steuerpflichtiger aufgrund seiner Behinderung nachweislich keinen normalen Pkw benutzen kann und selbst die Beförderung sitzend im Rollstuhl krankheitsbedingt nur in ausgesuchten Fahrzeugen möglich ist. Entstandene Umbaukosten sind dann im Jahr der Verausgabung abzugsfähig.

 

Sachverhalt

Für den an Multipler Sklerose erkrankten Steuerpflichtigen war im Streitjahr ein Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen G, aG, H und RF ausgestellt. Ferner war er der Pflegestufe III i. S. v. § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI zugeordnet.

Für Aufenthalte außerhalb seiner Wohnung über Nacht benötigt er im Kraftfahrzeug einen erheblichen Platzbedarf für verschiedenste Hilfsmittel sowie für einen mobilen Lifter zum Transfer ins Bett und einen Dusch-/Toilettenstuhl. Streitig war nun, ob die Aufwendungen für den behinderungsgerechten Umbau eines angeschafften Kleinbusses als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG abziehbar sind. Das Finanzamt ließ die geltend gemachten Kosten unberücksichtigt und vertrat die Auffassung, mit dem Kilometersatz von 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer seien alle Pkw-Kosten angemessen abgegolten.

 

Entscheidung

Steuerpflichtige, die so gehbehindert sind, dass sie sich außerhalb des Hauses nur mit Hilfe eines Kraftfahrzeugs bewegen können, können zwar grundsätzlich alle Kraftfahrzeug-Kosten, soweit sie nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, neben den Pauschbeträgen für behinderte Menschen (§ 33b EStG) als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Angemessen sind aber nur Aufwendungen für Fahrten bis zu 15.000 km im Jahr und nur bis zur Höhe von 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer. Das Finanzgericht entschied jedoch, dass im Streitfall außergewöhnliche Umstände vorlagen, die ein Überschreiten der Pauschsätze ausnahmsweise rechtfertigen.

Derartige außergewöhnliche Umstände können u. a. dann vorliegen, wenn ein Steuerpflichtiger wegen der Art seiner Behinderung auf ein besonderes Fahrzeug angewiesen ist, für das überdurchschnittlich hohe Aufwendungen erforderlich sind. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall aufgrund der Schwere der Behinderung des Steuerpflichtigen erfüllt. Die insoweit entstandenen Aufwendungen waren auch im Jahr der Verausgabung (§ 11 Abs. 2 EStG) in vollem Umfang abziehbar, da § 33 EStG weder eine Verweisung auf die Vorschriften über die Absetzungen für Abnutzung noch eine Gesetzeslücke enthält die eine analoge Anwendung des § 7 EStG nahe legen würde.

 

Hinweis

Dies steht im Gegensatz zur Auffassung der OFD Frankfurt am Main (Rundverfügung v. 19.1.2011, S 2284 A-46-St 221), wonach die Kosten für die behindertengerechte Umrüstung eines PKW im Wege der Verteilung auf die (Rest-) Nutzungsdauer des PKW neben den Fahrkosten als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Das Finanzgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, die zwischenzeitlich beim BFH unter dem Az. VI R 28/16 anhängig ist.

 

Link zur Entscheidung

Hessisches FG, Urteil vom 23.06.2016, 6 K 2397/12

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