Leitsatz

1. Besucht ein Auszubildender im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses, aus dem er Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt, eine Berufsfachschule, deren Träger sein Arbeitgeber ist und die sich auf dem selben Gelände wie der Ausbildungsbetrieb befindet, ist nicht nur der Ausbildungsbetrieb, sondern auch die Berufsfachschule regelmäßige Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG in der bis Ende 2013 geltenden Fassung.

2. Besucht ein Auszubildender, der sich in einem Ausbildungsdienstverhältnis befindet, eine private Lerngemeinschaft, die in der Wohnung eines anderen Auszubildenden stattfindet, handelt es sich dabei auch dann nicht um eine regelmäßige Arbeitsstätte des Auszubildenden, wenn sich die Wohnung des anderen Auszubildenden in einem auf dem Betriebsgelände liegenden Wohnheim des Arbeitgebers befindet.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 2 (in der bis Ende 2011 geltenden Fassung), § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 4 (in der bis Ende 2013 geltenden Fassung) EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist der Vater einer 1989 geborenen Tochter T, die sich vom 1.10.2009 bis 30.9.2012 in einem dualen Berufsausbildungsverhältnis befand. Der praktische Teil der Ausbildung fand in dem Klinikum statt, mit dem der Ausbildungsvertrag geschlossen wurde. Der theoretische Teil wurde in der Berufsfachschule vermittelt, die sich ca. 200 m entfernt gegenüber den Klinikgebäuden auf der anderen Straßenseite befindet.

T bezog 2011 einen Bruttoarbeitslohn von 12.368,84 EUR und steuerfreie Bezüge von 284,99 EUR und zahlte 2.551,03 EUR Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung. Sie fuhr an 143 Tagen zum Klinikum, an 77 Tagen zur Berufsfachschule und an 15 Tagen zu einer Lerngemeinschaft, die im Wohnheim des Klinikums durchgeführt wurde, das sich in derselben Straße wie das Klinikum befindet. Die Entfernung zwischen der Wohnung der T und allen drei Ausbildungsorten beträgt jeweils 23 km.

Die Familienkasse lehnte den Antrag des Klägers auf Kindergeldfestsetzung mit der Begründung ab, dass die Einkünfte und Bezüge der T im Jahr 2011 über dem maßgeblichen Grenzbetrag von 8.004 EUR gelegen hätten, und wies den Einspruch als unbegründet zurück. Hierbei setzte es die Fahrten zum Klinikum und zur Berufsfachschule mit der Entfernungspauschale von 0,30 EUR an.

Das FG Nürnberg wies die Klage als unbegründet ab (Urteil vom 15.5.2013, 3 K 1588/12, Haufe-Index 5084995, EFG 2013, 1599).

 

Entscheidung

Die Revision war unbegründet, weil nur die Kosten für die Fahrten zur Lerngemeinschaft mit den tatsächlich entstandenen Kosten angesetzt werden konnten.

 

Hinweis

Die Entscheidung befasst sich, wie schon das BFH-Urteil vom 27.2.2014, III R 60/13 (BFH/NV 2014, 1140, BFH/PR 2014, 260) im Hinblick auf die 2011 ausgelaufene Grenzbetragsregelung mit Fahrtkosten eines Auszubildenden.

1. Vergütungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, welches der Ausbildung des Leistungsempfängers dient, sind ebenso wie Ausbildungsvergütungen aus einem privatrechtlichen Ausbildungsdienstverhältnis steuerrechtlich Arbeitslohn.

2. Werbungskosten durch berufsbezogene Bildungsmaßnahmen umfassen Fahrtkosten, die grundsätzlich in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen sind, soweit der Arbeitnehmer nicht auf deren Ermittlung verzichtet und die Pauschale von 0,30 EUR je Fahrtkilometer ansetzt.

3. Für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte ist der Werbungskostenabzug auf die Entfernungspauschale von 0,30 EUR je Entfernungskilometer beschränkt. Regelmäßige Arbeitsstätte kann auch eine Ausbildungsstätte im Rahmen eines Dienstverhältnisses bei beruflichen Lehrgängen, Ausbildungsverhältnissen, Abordnungen oder Fortbildungsmaßnahmen sein, wenn es sich um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers handelt, die der Arbeitnehmer dauerhaft aufsucht. Hierfür ist die gesamte Dauer des Ausbildungsverhältnisses maßgebend. Die zeitliche Befristung von Ausbildungsdienstverhältnissen führt also nicht dazu, dem Ausbildungsbetrieb die Qualifikation als regelmäßige Arbeitsstätte zu versagen.

4. Eine vom Arbeitnehmer besuchte arbeitgeberfremde Bildungseinrichtung stellt keine regelmäßige Arbeitsstätte dar. Fahrten zur Berufsschule oder zur Universität sind daher mit den tatsächlichen Kosten anzusetzen. Vorliegend handelte es sich aber um eine Berufsfachschule, deren Träger der Arbeitgeber (Klinikum) und die auch örtlich Teil der regelmäßigen Arbeitsstätte war, weil sie sich innerhalb des räumlich geschlossenen Klinikgeländes befand. Daher konnte nur die Entfernungspauschale abgezogen werden.

5. Fahrten zu einer privaten Lerngemeinschaft sind mit den tatsächlichen Kosten anzusetzen. Dies gilt auch dann, wenn sie in einer räumlich zur regelmäßigen Arbeitsstätte gehörenden Privatwohnung stattfindet, denn die Qualifizierung als regelmäßige ­Arbeitsstätte richtet sich nicht nur nach dem geo­grafischen Ort, sondern erfordert auch, dass es sich bei der Tätigkeit um eine im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erbrachte Leistung handelt. Daraus folgt,...

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