Leitsatz

1. Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG besteht nur für die Monate, in denen der Steuerpflichtige inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielt.

2. Aufgrund der kindergeldspezifischen monatsbezogenen Betrachtungsweise ist bei Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit gemäß § 15 EStG eines nach § 1 Abs. 3 EStG veranlagten Kindergeldberechtigten auf die ausgeübte inländische Tätigkeit abzustellen.

 

Normenkette

§ 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 49, § 15, § 1 Abs. 3 EStG

 

Sachverhalt

Der polnische Kläger lebte mit seiner Familie in Polen und war in Deutschland monatsweise auf unterschiedlichen Baustellen selbstständig im Baugewerbe tätig. Während der Auftragsabwicklung hielt er sich teils in der Wohnung seines Hauptauftraggebers in B, teils am Ort der jeweiligen Baustelle auf. Diese Aufenthalte begründeten jedoch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (§ 9 AO). Das FA veranlagte den Kläger in den Jahren 2011 bis 2013 antragsgemäß nach § 1 Abs. 3 EStG.

Im Mai 2012 arbeitete er auf einer Baustelle und erzielte gewerbliche Einkünfte; das Entgelt hierfür erhielt er erst im August 2012. Die Familienkasse lehnte den Antrag auf Kindergeld für Mai 2012 ab. Kindergeld könne nur für den Monat August beansprucht werden, für den es jedoch bereits aus anderen Gründen festgesetzt worden war.

Das FG gab der Klage statt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.1.2017, 3 K 3219/16, Haufe-Index 10458534).

 

Entscheidung

Die Revision der Familienkasse war unbegründet, da es nicht auf den Zuflusszeitpunkt des Entgeltes, sondern auf den Zeitpunkt des inländischen Tätigwerdens ankam.

 

Hinweis

1. Einen Anspruch auf Kindergeld hat u.a., wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder wer nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird. In der Praxis werden Personen ohne inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt häufig als unbeschränkt Steuerpflichtige veranlagt (§ 1 Abs. 1 EStG). Das führt dann zum Verlust des Kindergeldanspruchs, da die Veranlagung als unbeschränkt Steuerpflichtiger den inländischen Wohnsitz nicht ersetzt.

2. Eine Behandlung "nach § 1 Abs. 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig" erfolgt i.S.d. § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nicht zwingend für das ganze Jahr, sondern nur für die Kalendermonate, in denen Kindergeldberechtigte "inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG haben".

3. Welche Monate aber sind das? Etwa alle Monate, in denen Einnahmen oder Ausgaben fließen (§ 11 EStG) oder in denen sich erfolgswirksame Geschäftsvorfälle ereignen?

Zu Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit hat der BFH bisher auf den Zufluss der Einnahmen abgestellt; das Besprechungsurteil lässt ausdrücklich offen, ob daran festgehalten wird.

Für gewerbliche Einkünfte stellt der BFH unter Hinweis auf § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG auf den wirtschaftlichen (nicht: zeitlichen) Zusammenhang mit der inländischen Betriebsstätte ab. Maßgebend ist danach die inländische Tätigkeit an sich. Dadurch wird auch vermieden, dass der Anspruch auf Kindergeld von der gewählten Einkünfteermittlung, der Rechnungserstellung, Teilzahlungen, Vorschüssen, Abschlagsrechnungen, dem Eingang der Zahlungen und damit von selbst gewählten Gestaltungen oder bloßen Zufälligkeiten abhängt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.3.2018 – III R 5/17

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