Leitsatz

Die leichtfertige Verletzung der einem Notar nach § 18 GrEStG obliegenden Anzeigepflicht führt nicht zu einer Verlängerung der Frist für die Festsetzung von Grunderwerbsteuer gegenüber dem Steuerpflichtigen auf fünf Jahre.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 3 Nr. 1, § 16 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5, § 18, § 19 GrEStG, § 33, § 169, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 171 Abs. 10 Satz 1, § 370, § 378 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger verkaufte durch Vertrag vom 21.9.2000 einen Teilgeschäftsanteil von 5.000 DM an der von ihm als Alleingesellschafter mit einem Stammkapital von 50.000 DM gegründeten grundstücksbesitzenden GmbH an P. Einen weiteren Teilgeschäftsanteil von 20.000 DM übertrug er durch den Vertrag treuhänderisch auf P. Den ihm verbliebenen Geschäftsanteil von 25.000 DM verkaufte er durch Vertrag vom 25.4.2001 ebenfalls an P. Der Notar übersandte die Verträge unter Bezugnahme auf seine Anzeigepflicht aus § 54 EStDV an die Körperschaftsteuerstelle des beklagten FA.

Mit Vertrag vom 30.1.2002 erwarb der Kläger von P sämtliche GmbH-Anteile zurück; diesen Vertrag übersandte der Notar ebenfalls an die Körperschaftsteuerstelle des FA, wo er am 5.2.2002 einging. Ob eine von der Körperschaftsteuerstelle am 27.3.2002 erstellte Kontrollmitteilung bei der GrESt-Stelle des FA eingegangen ist, konnte nicht festgestellt werden. Der Erwerb der Anteile an der GmbH durch den Kläger wurde der GrESt-Stelle des FA durch ein anders Finanzamt im September 2009 mitgeteilt.

Im Jahr 2010 setzte das FA gegen den Kläger Grunderwerbsteuer fest. Die zuvor in den Jahren 2009 und 2010 ergangenen Feststellungsbescheide über die Grundbesitzwerte, enthielten jeweils den Hinweis, dass sie nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen seien und nur für solche Steuerfestsetzungen bedeutsam seien, bei denen die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen sei.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG nahm an, der Anteilserwerb des Klägers durch Vertrag vom 30.1.2002 habe zwar den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG erfüllt. Die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) sei aber beim Erlass der angefochtenen Bescheide bereits abgelaufen gewesen. Sie habe gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des 31.12.2005 begonnen, da der Erwerb der Anteile der GmbH durch den Kläger dem FA weder von diesem noch vom Notar ordnungsgemäß angezeigt worden sei, und mit Ablauf des 31.12.2009 geendet. Eine verlängerte Fest­setzungsfrist wegen leichtfertiger Steuerverkürzung komme mangels Rechtswidrigkeits- bzw. ­Ursachenzusammenhang zwischen dem Fehlverhalten des Notars und des Klägers und der eingetretenen Steuerverkürzung deshalb nicht in Betracht, weil die von der Körperschaftsteuerstelle für die GrESt-Stelle erstellte Kontrollmitteilung nicht abgesandt oder verlorengegangen sei (FG Köln, Urteil vom 12.9.2012, 5 K 1348/11, Haufe-Index 5532496, EFG 2013, 2038).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Das FG hat im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob der Kläger selbst bei der Nichtabgabe der Anzeige für seinen Anteilserwerb (§ 19 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) leichtfertig gehandelt hat und insoweit die Voraussetzungen des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO erfüllt sind.

 

Hinweis

Die Entscheidung verdeutlicht die Konsequenzen, die sich aus der Verletzung der Anzeigepflicht (§§ 18, 19 GrEStG) ergeben können. Als Rechtsfolge drohen die Rechtsnachteile des § 16 Abs. 5 GrEStG. Zudem kommt es zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist.

1. Wird ein nach § 1 Abs. 2 bis Abs. 3a GrEStG steuerbarer Erwerbsvorgang verwirklicht und dem FA nicht ordnungsgemäß angezeigt, führt die spätere Rückgängigmachung dieses Erwerbsvorgangs gemäß § 16 Abs. 5 GrEStG zur Nichtanwendung des § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG. § 16 Abs. 5 GrEStG dient der Sicherung der Anzeigepflichten. Die Sanktionswirkung dieser Vorschrift fällt besonders drastisch aus, wenn z.B. im Fall des § 1 Abs. 3 GrEStG der tatbestandserfüllende Anteilserwerb nicht angezeigt worden war und der anschließende Rückerwerb der Anteile ebenfalls nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbar ist. In diesem Fall ist § 16 Abs. 5 GrEStG bei nicht ordnungsgemäßer Anzeige des ursprünglichen Erwerbsvorgangs auch zulasten des Rückerwerbers anzuwenden. Dabei ist unerheblich, dass der Rückerwerber den ursprünglichen Erwerbsvorgang nicht anzuzeigen hatte.

2. Eine ordnungsgemäße Anzeige liegt nur vor, wenn sie an die GrESt-Stelle des zuständigen FA gerichtet wird. Dies gilt auch für die Anzeigeerstattung durch einen Notar (§ 18 GrEStG). Übersendet dieser die Anzeige gemäß § 54 EStDV an die Körperschaftstelle eines FA, genügt dies nicht den gesetzlichen Anforderungen. Das gilt auch, wenn einen Beteiligten keine Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG trifft.

3. Die Nichtanzeige bzw. nicht ordnungsgemäß an die GrESt-Stelle des FA gerichtete Anzeige hat Auswirkungen auf den Beginn der Festsetzungsfrist. Diese beginnt, wenn eine Anzeige zu erstatten ist, spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach Entstehu...

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