Leitsatz

Die Steuerberechnung nach vereinnahmten Entgelten gem. § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG kommt nur bei besonderen Härten wie z.B. dem Überschreiten der nach § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG bestehenden Umsatzgrenze aufgrund außergewöhnlicher und einmaliger Geschäftsvorfälle, nicht aber allgemein aufgrund einer fehlenden Buchführungsverpflichtung in Betracht.

 

Normenkette

§ 20 UStG 1999, Art. 10 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin (GbR) vermietete Gewerbeimmobilien und beantragte, weil die Umsatzgrenze des § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG überschritten war, erfolglos die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UStG. Das FG gab der Klage statt (FG Köln, Urteil vom 26.08.2008, 1 K 4430/04, Haufe-Index 2296333, EFG 2010, 606); § 20 enthalte eine Regelungslücke, die i.S.d. Klägerin auszulegen sei.

 

Entscheidung

Die Revision des FA hatte aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen Erfolg. Nach der EuGH-Rechtsprechung zu Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 3 der 6. EG-RL (Ermächtigung zur Ist-Besteuerung – jetzt Art. 66 Buchst. b MwStSystRL) hat der "Gemeinschaftsgesetzgeber ... den Mitgliedstaaten einen erheblichen Spielraum einräumen wollen". Sind die allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze eingehalten, insbesondere der allgemeine Gleichheitsgrundsatz, haben die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ermächtigung einen Gestaltungsspielraum.

 

Hinweis

§ 20 UStG (Ist-Versteuerung) betrifft 3 Gruppen von Unternehmern:

a)§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG betrifft "Klein"unternehmer (Umsatzgrenze). Anhaltspunkte dafür, dass die Buchführungspflicht bei dieser Gruppe von Bedeutung sein könnte, ergeben sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Nr. 2, der für die Gestattung die "Befreiung von der Buchführungspflicht" nach § 148 AO voraussetzt; denn nach § 140 AO sind alle Unternehmer, die aufgrund anderer Vorschriften buchführungspflichtig sind (§ 140 AO), und zusätzlich die in § 141 AO bezeichneten Unternehmer buchführungspflichtig. Die Befreiung nach § 148 AO betrifft nur die nach den Steuergesetzen (§ 141 AO) auferlegte Buchführungspflicht.

b) Die Regelung in Nr. 2 (Gestattung bei Befreiung von der Buchführungspflicht nach § 148 AO) enthält für Sachverhalte mit Überschreitung der Umsatzgrenze im Regelfall keine Regelungslücke. Bei deren Inkrafttreten (1967) kam eine Befreiung von der Buchführungspflicht nach § 161 Abs. 2 RAO für Unternehmer nach der Rechtsprechung nur bei besonderen Härten in Betracht, die sich z.B. aus dem Überschreiten der nach § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG 1967 bestehenden Umsatzgrenze von 250 000 DM durch außergewöhnliche und einmalige Geschäftsvorfälle ergeben konnten. Die Buchführungspflicht begann nach der RAO für Unternehmer, die nicht ohnehin nach anderen Gesetzen buchführungspflichtig waren, bei 250 000 DM (dies entsprach der Umsatzgrenze in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967). Die Möglichkeit der Befreiung von der (nur) steuerrechtlichen Buchführungspflicht (§ 148 AO) betrifft seit der AO 1977 nur noch gewerbliche Unternehmer und Land- und Forstwirte, weil nur noch diese allein nach steuerrechtlichen Vorschriften buchführungspflichtig sind (§ 141 AO). Für Unternehmer, die mit ihren Umsätzen die Grenze von 250 000 DM überschreiten und daher bereits nach dem UStG 1967 nicht zur Steuerberechnung nach vereinnahmten Entgelten berechtigt waren, hat sich aufgrund des Wegfalls der Buchführungspflicht durch die AO 1977 die Rechtslage nicht geändert. Nur für Unternehmer, die weder gewerbliche Unternehmer noch Land- und Forstwirte sind und die aufgrund einmaliger Geschäftsvorfälle die Umsatzgrenze des § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG überschreiten, könnte eine Regelungslücke zu berücksichtigen sein.

c) Die 3. Gruppe (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG) betrifft die Umsätze aus der Tätigkeit als Angehöriger der freien Berufe, denen auch bei Überschreiten der Umsatzgrenze nach Nr. 1 die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gestattet werden kann. Differenzierung hinsichtlich der Steuerberechnung nach vereinnahmten Entgelten führt nicht zu einer nach Art. 3 Abs. 1 GG zu beanstandenden Ungleichbehandlung. Denn anders als bei den steuerpflichtigen Umsätzen der Angehörigen der freien Berufe beruht die Steuerpflicht der gem. § 4 Nr. 12 UStG steuerfreien Vermietung unbeweglichen Vermögens auf dem Verzicht nach § 9 UStG.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.02.2010 – V R 38/08

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