Leitsatz

1. Eine verfassungsrechtlich unzulässige doppelte Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist nach inzwischen ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung jedenfalls dann nicht gegeben, wenn die Summe der voraussichtlichen steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Rentenbeiträge (zuletzt Senatsurteile vom 19.05.2021 – X R 33/19, HFR 2021, 648, Rz 22, sowie vom 19.05.2021 – X R 20/19, HFR 2021, 659, Rz 48).

2. Der Vergleich des relativen Anteils von aus versteuerten Beiträgen erdienten Renten-Entgeltpunkten (§ 63 Abs. 2 SGB VI) und dem gesetzlich angeordneten Steuerfreistellungsanteil der Rente stellt keine geeignete Methode zur Berechnung einer eventuellen doppelten Besteuerung dar.

 

Normenkette

§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, Art. 3 Abs. 1 und 3 GG, § 63 Abs. 1 und 3 SGB VI, § 69 Abs. 3 FGO

 

Sachverhalt

Die im Jahr 1954 geborene Antragstellerin bezieht seit 2018 eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Das FA besteuerte die Rente im Streitjahr 2019 mit dem Besteuerungsanteil, der sich aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG ergibt, und lehnte die beantragte AdV ab. ­Daraufhin beantragte die Antragstellerin beim FG AdV und trug vor, ihre Rente werde doppelt besteuert, weil die von ihr erdienten Renten-Entgeltpunkte zu 43,17 % auf versteuerten Rentenbeiträgen beruhten. Dieser Wert übersteige die gesetzlich angeordnete Steuerfreistellung ihrer Rentenzuflüsse von 24 %. Das FG hat den AdV-Antrag abgelehnt. Es lägen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen vor (FG des Saarlandes, Urteil vom 29.4.2021, 3 V 1023/21, EFG 2021, 1107, Haufe-­Index 14473170).

 

Entscheidung

Die Beschwerde der Antragstellerin war unbegründet. Der BFH entschied, das FG habe die AdV frei von Rechtsfehlern abgelehnt, da bei Zugrundelegung seiner inzwischen ständigen Rechtsprechung eine doppelte Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und -einkünften nicht festgestellt werden könne.

 

Hinweis

1. Nach der Rechtsprechung des BVerfG müssen die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen "in jedem Fall" so aufeinander abgestimmt werden, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird.

2. Nach Auffassung des BFH in den beiden von großem Medieninteresse begleiteten BFH-Urteilen v. 19.5.2021, X R 20/19 (BFH/NV 2021, 980) und X R 33/19 (BFH/NV 2021, 992; BFH/PR 2021, 257 ff.) ist eine verfassungsrechtlich unzulässige doppelte Besteuerung jedenfalls dann nicht gegeben, wenn die Summe der voraussichtlichen steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen. Die voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rentenbezüge werden dabei so ermittelt, dass der steuerfreie Teil der Rente (ohne die zukünftigen, im Zeitpunkt des Rentenbeginns aber noch nicht ­absehbaren Rentenerhöhungen) nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG mit der durchschnittlichen statistischen Lebenserwartung des Steuerpflichtigen nach der im Zeitpunkt des Renteneintritts letztverfügbaren Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes multipliziert wird.

Die erforderliche Vergleichs- und Prognoserechnung ist auf der Grundlage des Nominalwertprinzips vorzunehmen. Dies gilt nicht nur für die endgültige Ausgestaltung der nachgelagerten Besteuerung, sondern auch für die Übergangsregelung.

3. Zeitgleich mit dem BFH hatte auch das FG des Saarlandes im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes über die Frage der unzulässigen doppelten Besteuerung der Renten zu befinden und sich mit der in der Literatur vertretenen alternativen Berechnung einer eventuellen doppelten Besteuerung anhand eines Vergleichs des relativen Anteils von aus versteuerten Beiträgen erdienten Renten-Entgeltpunkten (§ 63 Abs. 2 SGB VI) und dem ­gesetzlichen Steuerfreistellungsanteil der Rente (vgl. dazu Schindler/Braun, u.a. NWB 2020, 784) auseinanderzusetzen.

4. Wie das FG des Saarlandes ist auch der X. Senat in dem anschließenden Beschwerdeverfahren im Wesentlichen aus den drei folgenden Gründen diesem Berechnungsansatz nicht gefolgt:

Zunächst spricht hiergegen, dass der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStGnur an die Beiträge des Steuerpflichtigen, nicht aber an den Umrechnungswert gemäß § 63 Abs. 2 SGB VI anknüpft und die Höhe der Rente lohn- und beitragsbezogen ausgestaltet ist.

Weiter unterstellt dieser Berechnungsansatz, dass jede Rentenzahlung in einen steuerpflichtigen und in einen steuerfreien Anteil zerfällt und daher in dem Umfang doppelt besteuert wird, in dem die steuerfreie Quote unter derjenigen der aus versteuerten Beiträgen erdienten Renten-Entgeltpunkte bleibt. Diese Betrachtung beachtet aber nicht, dass das Konzept der nachgelagerten Besteuerung...

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