Leitsatz

Auch wenn ein Kind nach § 67 S. 2 Alternative 2 EStG berechtigt ist, das Kindergeld selbst zu beantragen, kann es mit einem Antrag auf Kindergeld keine erneute Entscheidung über den vom Kindergeldberechtigten geltend gemachten, bestandskräftig abgelehnten Kindergeldanspruch erreichen.

 

Normenkette

§ 67 S. 2 Alternative 2, § 74 Abs. 1 EStG

 

Sachverhalt

Die beigeladene Mutter erhielt bis Dezember 2002 Kindergeld für ihre 1981 geborene und in Ausbildung befindliche Tochter, die Klägerin, die in einer eigenen Wohnung lebte und von ihren Eltern keine Unterhaltsleistungen erhielt. Die Familienkasse lehnte den Antrag der Mutter auf Kindergeld für die Klägerin am 27.04.2004 ab, da deren Einkünfte und Bezüge im Jahr 2003 den Grenzbetrag überschritten hätten (§ 32 Abs. 4 S. 2 EStG). Dieser Bescheid wurde der Klägerin nicht bekannt gegeben und von der Mutter nicht angefochten.

Zwei Jahre später beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf den BVerfG-Beschluss vom 11.01.2005, 2 BvR 167/02 (BFH/NV Beilage 2005, 260, betr. Abzug der Sozialversicherungsbeiträge) die Auszahlung des Kindergelds u.a. für Januar 2003 bis Juni 2004 an sich. Die Familienkasse setzte Kindergeld zwar für Mai und Juni 2004 fest, nicht aber für Januar 2003 bis April 2004, weil der Kindergeldanspruch insoweit bestandskräftig abgelehnt worden sei.

Das FG (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 09.07.2007, 3 K 30/07, Haufe-Index 1783703, EFG 2008, 64) gab der Klage überwiegend statt, weil der Ablehnungsbescheid vom 27.04.2004 keine Bindungswirkung im Verhältnis zur Klägerin entfalte.

 

Entscheidung

Der BFH hat dem widersprochen und die Klage für 2003 wegen bestandskräftiger Ablehnung abgewiesen.

Anders für Januar bis April 2004: Da die Ablehnung vom 27.04.2004 mit der Überschreitung des Grenzbetrags im Jahr 2003 begründet worden war, betraf sie nur 2003 und nicht auch den nachfolgenden Zeitraum bis zur Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids (BFH, Urteil vom 26.11.2009, III R 87/07, BFH/NV 2010, 726 BFH/PR 2010, 221).

 

Hinweis

1. Neben dem Kindergeldberechtigten können auch Dritte Kindergeld beantragen, wenn sie ein berechtigtes Interesse haben (§ 67 S. 2 Alternative 2 EStG), z.B. dem Kind zum Unterhalt verpflichtete Personen, Sozialleistungsträger, Pfändungsgläubiger und – wie hier – das Kind selbst, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist (vgl. §§ 74, 76 EStG, § 46 AO).

2. Der Antragsberechtigte erhält eine Beteiligtenstellung im Festsetzungsverfahren (vgl. § 78 Nr. 1 AO). Er kann gegen den das Festsetzungsverfahren abschließenden Bescheid Einspruch einlegen und gegen die Einspruchsentscheidung klagen.

3. Der Antragsberechtigte erlangt aber lediglich eine verfahrensrechtliche Stellung und mutiert durch den Antrag nicht zum Kindergeldberechtigten. Daher müssen die Anspruchsvoraussetzungen in der Person des (materiell) Kindergeldberechtigten gegeben sein. Der Antragsberechtigte kann deshalb kein weiteres Festsetzungsverfahren über den fremden Steuervergütungsanspruch einleiten. Ist das Festsetzungsverfahren für den Kindergeldberechtigten bestandskräftig abgeschlossen, muss sich auch der Antragsberechtigte die Bestandskraft entgegenhalten lassen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.11.2009 – III R 67/07

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