Leitsatz

Bestandskräftig zu Unrecht als sofort abziehbarer Erhaltungsaufwand geltend gemachte Anschaffungskosten führen zu einer Minderung des AfA-Volumens und stehen insoweit einer Weiterführung der AfA entgegen.

 

Normenkette

§ 7 Abs. 1 und Abs. 4, § 7a Abs. 9, § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 3 Nr. 7, § 11 Abs. 2 Satz 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine vermietende GbR, schaffte im Jahr 2008 für ein Vermietungsobjekt Klimageräte an und machte den Aufwand 2009 sowohl als AfA wie auch (versehentlich) in voller Höhe sofort geltend. Die AfA-Reihe setzte sie in den Folgejahren fort. Bei einer Außenprüfung wurde der Fehler entdeckt. Es bestand Einvernehmen, dass der Sofortabzug in 2009 korrigiert werden sollte. Dies unterblieb jedoch; der Steuerbescheid wurde durch Zeitablauf bestandskräftig. Im Streitjahr 2012 versagte das FA daraufhin den Abzug der AfA. Der Aufwand sei bereits berücksichtigt. Die Klage vor dem FG (FG Düsseldorf, Entscheidung vom 1.2.2019, 3 K 2466/18 F, Haufe-Index 13492516, EFG 2019, 1667) hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH hat auch die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

 

Hinweis

Die äußerst kurz begründete Entscheidung birgt eine Menge "Sprengstoff", der allerdings im Verfahren nicht gezündet hat. Aber der Reihe nach:

1. Materiell-rechtlich darf sich Aufwand nur einmal steuerlich auswirken (Nettoprinzip). Absetzbar ist im Rahmen der AfA nur das AfA-Volumen; dieses kann auch durch einen fehlerhaften Abzug nicht erhöht werden. Ist das Volumen "verbraucht", endet die AfA-Reihe, ob sie nun richtig oder falsch war. Das gilt nach Maßgabe des Besprechungsurteils nicht nur bei überhöhter AfA, sondern auch dann, wenn (bzw. soweit) das AfA-Volumen durch fehlerhaften Sofortabzug verbraucht worden ist. Danach konnte die Klage keinen Erfolg haben, denn nicht sofort abziehbare Anschaffungskosten waren in voller Höhe durch (fehlerhaften) Sofortabzug bereits verbraucht. Das genügte auch dem BFH, um die Revision zurückzuweisen.

2. Keine Ausführungen enthält das Urteil dazu, dass materiell-rechtliche Fehler grundsätzlich nur im Rahmen des Verfahrensrechts korrigiert werden können und ansonsten Bestand haben. Die eigentliche Frage lautete nämlich: Darf die AfA-Reihe fortgesetzt werden, obwohl der Aufwand durch den fehlerhaften Sofortabzug bereits einmal wirksam geworden ist, weil dieser verfahrensrechtlich nicht mehr korrigiert werden kann? Dafür könnte immerhin sprechen, dass die Rechtsprechung zwar Regeln für die Korrektur überhöhter oder zu geringer AfA gefunden hat, die AfA-Reihe im Streitfall aber keinen Fehler aufwies. Der Sofortabzug ist dagegen ein punktuelles Ereignis und keine Reihe, für das materiell-rechtliche Korrekturregeln wie im Rahmen der AfA nicht erforderlich und (bisher) in der Rechtsprechung auch nicht vorgesehen waren. Nach allgemeinen Grundsätzen (Abschnittsprinzip) war der Fehler aber nicht mehr korrigierbar.

3. Der BFH verwirft indes diese differenzierende Betrachtungsweise und verklammert den Sofortabzug und die AfA im Begriff der Werbungskosten. Er korrigiert damit zugleich im materiellen Recht, was im Verfahrensrecht nicht mehr korrigierbar war. Der in der Bestandskraft perpetuierte Fehler hat nicht etwa zur Folge, dass die Werbungskosten doppelt wirksam werden können. Er führt vielmehr bei der AfA materiell-rechtlich, d.h. automatisch, zum Verbrauch des AfA-Volumens, sodass die AfA-Reihe endet, bzw. gar nicht erst in Gang gesetzt wird. Diese Rechtsfolge tritt unabhängig davon ein, wann der Fehler entdeckt wird, also auch ohne jede zeitliche Begrenzung (keine Verjährung).

4. Nach diesem Verständnis steht die aus dem Nettoprinzip abgeleitete Gesamtrichtigkeit des Werbungskostenabzugs (kein Doppelabzug) über dem Verfahrensrecht. Werbungskosten können (dürfen) nur einmal abgezogen werden, egal in welcher Form. Der materielle Fehler beim Sofortabzug bewirkt, dass die an sich gebotene AfA versagt wird; umgekehrt müsste auch zu Unrecht gewährte AfA den an sich gebotenen Sofortabzug (retrospektiv) mindern.

5. Die Lösung des BFH wirft, so intuitiv sie auch erscheinen mag, vor allem die Frage auf, wie zu entscheiden ist, wenn der fehlerhafte Sofortabzug noch korrigiert werden kann. Die Frage ist nicht trivial; dennoch geht das Urteil darauf nicht ein.

a) Vordergründig käme es zu einer Kollision materiell-rechtlicher Vorschriften, denn der materiell-rechtlich fehlerhafte Sofortabzug bewirkt nach den Grundsätzen des Besprechungsurteils (vorrangig und automatisch) die Vernichtung des AfA-Volumens, so dass AfA nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Gleichzeitig schreibt das Gesetz aber vor, dass der Aufwand nicht sofort, sondern nur pro rata geltend gemacht werden darf. Es stellt sich also die Frage, welcher Gesetzesbefehl Vorrang hat. Muss oder darf dann überhaupt korrigiert werden?

b) Würde der BFH auch in diesem Fall der Gesamtrichtigkeit der Aufwandsberücksichtigung den Vorrang einräumen, wäre die Korrektur zumindest entbehrlich. Hätte sie gar zu...

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