Leitsatz

1. Die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund Erbanfalls nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB geschuldete Erbschaftsteuer ist eine Nachlassverbindlichkeit (Fortführung des BFH-Urteils vom 20.01.2016 – II R 34/14, BFHE 252, 389, BStBl II 2016, 482).

2. Eine Beschränkung der Erbenhaftung für Erbschaftsteuerverbindlichkeiten ist nach § 2059 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen.

3. Bei der Inanspruchnahme des Nachlasses nach § 20 Abs. 3 ErbStG besteht ein (Entschließungs‐)Ermessen, so dass grundsätzlich keine Verpflichtung zur vorrangigen Inanspruchnahme besteht.

 

Normenkette

§ 3, § 20 Abs. 1 und Abs. 3 ErbStG, § 219 AO, § 1922, § 2059 BGB

 

Sachverhalt

Die Klägerin hatte gemeinsam mit ihrem Bruder von der Mutter neben Grundbesitz Geschäftsanteile an der C-GmbH, Bankguthaben bei verschiedenen Banken und Wertpapiere geerbt. Das FA setzte gegen die Klägerin Erbschaftsteuer i.H.v. über 23 Mio. EUR fest, deren Vollziehung i.H.v. ca. 18 Mio. EUR ausgesetzt wurde.

Die Klägerin beantragte, wegen dieser Erbschaftsteuer die Forderungen aus dem auf den Namen der Erblasserin bei der D Bank AG geführten Konto zu pfänden. Ihr Bruder lehne eine Auseinandersetzung des Nachlasses ab und sie selbst sei nicht in der Lage, die Erbschaftsteuer aus eigenen Mitteln zu zahlen.

Das FA folgte dem nicht. Es pfändete mit vier ­Verfügungen die Forderungen der Klägerin aus ihren Geschäftsbeziehungen mit verschiedenen Banken und ordnete die Einziehung der gepfändeten Forderungen an. Die Drittschuldner zahlten aufgrund der Verfügungen an das FA insgesamt ca. 133.500 EUR.

Im März 2017 erließ das FA gegenüber der Klägerin und ihrem Bruder zwei auf § 191 AO, § 20 Abs. 3 ErbStG gestützte Haftungsbescheide, mit denen es beide zur Entrichtung der von der Klägerin ­noch geschuldeten (und nicht ausgesetzten) Erbschaftsteuer zuzüglich Säumniszuschläge aus dem Nachlass aufforderte. Sodann wurden insgesamt 5.661.305,73 EUR an das FA gezahlt, woraufhin dieses die streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen aufhob.

Einspruch und Klage waren erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 21.2.2018, 4 K 1144/17 AO, Haufe-Index 11591393). Zwar bejahte das FG die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Wiederholungsgefahr im Hinblick auf die ausgesetzten Steuerbeträge. Jedoch verneinte es eine Verpflichtung des FA, zunächst von der Möglichkeit einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Nachlasses nach § 20 Abs. 3 ErbStG Gebrauch zu machen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revi­sion. Die Erbschaftsteuerschuld sei eine Nachlassverbindlichkeit (BFH, Urteil vom 20.1.2016, a.a.O.). Nach § 2059 Abs. 1 Satz 1 BGB könne die Klägerin die Tilgung ihrer Erbschaftsteuerschuld aus ihrem sonstigen Vermögen bis zur Teilung des Nachlasses verweigern.

 

Entscheidung

Die Revision hatte aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen keinen Erfolg. Das FA war nicht verpflichtet, primär in den Nachlass zu vollstrecken.

 

Hinweis

In der Praxis dürfte es immer wieder zu Fällen kommen, in denen der Erbe seine Erbschaftsteuerschuld (§ 20 Abs. 1 ErbStG) nicht aus seinem eigenen Vermögen (ohne Berücksichtigung des Nachlasses) begleichen kann. Das stellt ein Problem dar, wenn der Nachlass noch nicht geteilt ist, der Erbe also auf die einzelnen Nachlassgegenstände noch keinen Zugriff hat (§ 2033 Abs. 2 BGB).

Der BFH hatte zu entscheiden, ob der Erbe in diesen Fällen mit Erfolg die Einrede nach § 2059 Abs. 1 Satz 1 BGB erheben kann. Danach kann der Erbe bis zur Teilung des Nachlasses die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten aus seinem eigenen Vermögen verweigern. In der Folge könnte das FA allein in den Anteil des Erben am Nachlass vollstrecken.

Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören nach § 1967 Abs. 2 BGB die vom Erblasser herrührenden Schulden und die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten. Zu den Ersteren zählen u.a. die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 45 Abs. 1 AO, § 1922 BGB) auf den Erben übergegangenen Steuer- und Haftungsschulden des Erblassers (Erblasserschulden). Die zweite Gruppe betrifft die aus Anlass des Erbfalls entstandenen Schulden (Erbfallschulden), zu denen neben den im Gesetz genannten Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen auch die Erbschaftsteuer (§ 9 Abs. 1, § 20 ErbStG) zu rechnen ist (BFH, Urteil vom 28.4.1992, VII R 33/91, Haufe-Index 64418, BStBl II 1992, 781; BFH, Urteil vom 11.8.1998, VII R 118/95, BFH/NV 1999, 101, BStBl II 1998, 705; BFH, Urteil vom 20.1.2016, II R 34/14, BFH/NV 2016, 851, BStBl II 2016, 482). Zu den kritischen Stimmen (insbesondere zum Urteil des BFH vom 20.1.2016 (a.a.O.) hat sich der BFH nicht geäußert.

Das FA hatte argumentiert, dass § 2059 Abs. 1 BGB nur für gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten gelte und sich zur Begründung dieser Ansicht auf § 2058 BGB bezogen. Darin ist geregelt, dass Erben für gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner haften. Diesem Argument ist der BFH nicht gefolgt. § 2059 BGB gilt auch...

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