Leitsatz

1. Der gesonderte Steuertarif für Kapitaleinkünfte gem. § 32d Abs. 1 EStG gilt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG nicht für Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist.

2. Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes gem. § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 2 Abs. 1 GG, da bei einer Begünstigung einer Gesellschafterfremdfinanzierung das wirtschaftspolitische Lenkungsziel des Gesetzgebers, durch die Einführung eines Abgeltungsteuersatzes die Standortattraktivität Deutschlands im internationalen Wettbewerb für private Anleger zu erhöhen, verfehlt würde.

3. Die Beteiligungsgrenze von mindestens 10 % an der Schuldnerin der Kapitaleinkünfte verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da sie jedenfalls nicht willkürlich ist.

 

Normenkette

§ 32d Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b, § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Er hatte ihr im Jahr 2000 mit schriftlichem Vertrag ein ungesichertes Darlehen gewährt, das mit jährlich 6 % zu verzinsen war. Der Kläger erzielte im Streitjahr 2009 aus dem Darlehen Kapitalerträge in Höhe von 16.320 EUR.

Das FA besteuerte diese Zinserträge mit der tariflichen Einkommensteuer. Die Klage, mit der der Kläger die Gewährung des Abgeltungsteuersatzes von 25 % begehrte, blieb erfolglos (Niedersächsisches FG vom 12.4.2012, 14 K 335/10, Haufe-Index 3744341).

 

Entscheidung

Die Revision zum BFH hatte ebenfalls keinen Erfolg. Der BFH führte aus, dem Ansinnen des Klägers, die Anwendung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG auf tatsächliche Missbrauchsfälle zu beschränken, stehe der eindeutige und klare Wortlaut des Gesetzes entgegen. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung liege nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten kann auf die Praxis-Hinweise verwiesen werden.

 

Hinweis

Hier geht es um einen weiteren Ausnahmefall zur Abgeltungsteuer: die Gesellschafterfremdfinanzierung einer Kapitalgesellschaft.

1. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG gilt der günstige Abgeltungsteuersatz nicht für Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist.

2. Ob diese Ausnahme vom Abgeltungsteuerregime eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung bedeutet oder ob sie sachlich zu rechtfertigen ist, muss anhand des Gesetzeszwecks geprüft werden. Danach hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht überschritten.

a) Gesetzgeberisches Ziel der Privilegierung von Kaptaleinkünften war es, die Standortattraktivität der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Wettbewerb für private Anleger, die ihr Kapital ohne größere Schwierigkeiten auch im Ausland anlegen könnten, durch eine leicht erkennbare Belastungsminderung zu erhöhen. Dieses legitime Ziel ist geeignet, den Typisierungsspielraum des Gesetzgebers zu erweitern und die Begünstigung der Besteuerung der Kapitaleinkünfte gegenüber anderen Einkunftsarten zu rechtfertigen.
b) Dieses Lenkungsziel der Abgeltungsteuer würde jedoch verfehlt, wenn ein Anteilseigner durch den Abgeltungsteuersatz auch dann begünstigt würde, wenn er sein Geld gar nicht ins Ausland verbringen kann, weil er es im Inland zur Finanzierung seiner Kapitalgesellschaft benötigt, sodass es dort gebunden ist. Die Gewährung des Abgeltungsteuersatzes würde in derartigen Fällen zu einem bloßen Mitnahmeeffekt führen.
c) Die Anwendung des allgemeinen Steuertarifs führt deshalb hier zu keiner Ungleichheit, sondern stellt im Hinblick auf die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit eine größere Gleichheit her.
d) Die Ungleichbehandlung der Besteuerung von Zinsen für Gesellschafterdarlehen im Vergleich zu Kapitaleinkünften aus einer vGA, auf die der Abgeltungsteuersatz Anwendung findet, ist dadurch sachlich gerechtfertigt, dass diese Kapitalerträge, anders als Zinseinkünfte, mit einer Körperschaftsteuer i.H.v. 15 % vorbelastet sind.
e) Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber von der zumindest realitätsnahen Annahme ausging, dass der Gesellschafter ab einer Beteiligung von mindestens 10 % auf das Verhalten der Gesellschaft einwirken kann.
f) Die Vor- und Nachteile des Ausschlusstatbestandes des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG sind folgerichtig ausgestaltet, da gem. § 32d Abs. 2 Satz 2 EStG bei der Versagung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG weder die Verlustausgleichsbeschränkung nach § 20 Abs. 6 EStG noch die Beschränkung des Werbungskostenabzugs nach § 20 Abs. 9 EStG Anwendung finden.
 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.4.2014 – VIII R 23/13

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