Leitsatz

1. Die Anwendung der 1 %-Regelung setzt voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat (Anschluss an das Senatsurteil vom 21.4.2010, VI R 46/08, BFH/NV 2010, 1707, BFH/PR 2010, 366). Denn der Ansatz eines lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteils rechtfertigt sich nur insoweit, als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gestattet, den Dienstwagen privat zu nutzen.

2. Allein die Gestattung der Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte begründet noch keine Überlassung zur privaten Nutzung i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG.

 

Normenkette

§ 8 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG

 

Sachverhalt

K war angestellter Verkäufer des Autohauses G. G hatte für die berufliche Nutzung durch die Verkäufer Vorführwagen, für die keine Fahrtenbücher geführt wurden. Nach der Vorführwagen-Regelung zum Arbeitsvertrag stand K ein Vorführwagen für Probe-, Vorführ- und Besuchsfahrten zur Verfügung; dessen private Nutzung war verboten. Wegen eines Verstoßes gegen das arbeitsvertragliche Nutzungsverbot hatte G einen anderen Verkäufer schon abgemahnt. Aufgrund einer mündlich erteilten Gestattung durfte K für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Vorführwagen nutzen; das war auch lohnversteuert (§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG). G hatte erklärt, das Nutzungsverbot sei durch Kontrolle der Kilometerstände wöchentlich überprüft worden. Nach einer LSt-Prüfung bei G ging das FA von einer privaten Nutzung(smöglichkeit) der Vorführwagen durch K aus und wandte die 1 %-Regelung an, weil der Anscheinsbeweis nicht erschüttert sei. Da nicht geklärt werden konnte, welche Vorführwagen K zuzurechnen waren, schätzte das FA nach durchschnittlichen Bruttolistenpreisen. Ks Klage blieb erfolglos (Niedersächsisches FG, Urteil vom 11.3.2010, 1 K 351/07, Haufe-Index 2529540).

 

Entscheidung

Aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen hob der BFH die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies die Sache an das FG zur Nachholung weiterer Feststellungen zurück.

 

Hinweis

Der Besprechungsfall führt die aus dem Urteil vom 21.4.2010 (VI R 46/08, BFH/NV 2010, 1707, BFH/PR 2010, 366) bekannten Rechtsgrundsätze zur Anwendung und Reichweite des Anscheinsbeweises bei der 1 %-Regelung fort. Die 1 %-Regelung setzt voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlässt, die unbefugte private Nutzung genügt nicht. Ob und welches Fahrzeug ein Arbeitnehmer nutzen darf, hat die Tatsacheninstanz festzustellen. Diese Feststellungen lassen sich nicht durch allgemeine Erfahrungssätze (Anscheinsbeweis) ersetzen. Insbesondere spricht kein Anscheinsbeweis dafür, dass dem Arbeitnehmer ein Dienstwagen aus dem vom ­Arbeitgeber vorgehaltenen Fuhrpark privat zur Verfügung steht, und auch nicht dafür, dass Arbeitnehmer Verbote missachten, selbst wenn ein arbeitsvertraglich vereinbartes Privatnutzungsverbot nicht überwacht wird. Der allgemeine Erfahrungssatz (Anscheinsbeweis) besagt nur, dass ein dem Arbeitnehmer zur privaten Nutzung überlassener Dienstwagen von ihm tatsächlich auch privat genutzt wird.

Hier stand nur fest, dass K Vorführwagen für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte zur Verfügung standen. Das ist aber keine Überlassung zur privaten Nutzung i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG. Denn Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gehören noch immer zur Erwerbssphäre (BFH, Urteil vom 22.9.2010, VI R 54/09, BFH/NV 2011, 345, BFH/PR 2011, 80). Also ist der Sachverhalt weiter aufzuklären: War vereinbart, dass der Vorführwagen auch privat genutzt werden darf? War das Privatnutzungsverbot nur zum Schein ausgesprochen? Wäre solches mit hinreichender Sicherheit festgestellt, käme der Anscheinsbeweis zum Tragen: zur privaten Nutzung überlassene Kfz werden auch tatsächlich privat genutzt. Aber ein Anscheinsbeweis kann erschüttert werden, umso leichter je geringer die Unterschiede zwischen Privat- und Dienstfahrzeug ausfallen (BFH, Urteil vom 21.4.2010, VI R 46/08, BFH/NV 2010, 1707, BFH/PR 2010, 366). Ansonsten ist konkret festzustellen, welche Pkw im Einzelnen privat genutzt wurden (BFH, Urteil vom 18.12.2008, VI R 34/07, BFH/NV 2009, 481, BFH/PR 2009, 124).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 6.10.2011 – VI R 56/10

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