Leitsatz

Für die Feststellung, ob Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom 20.12.2001 geänderten Fassung "für Zwecke seiner besteuerten Umsätze" verwendet wurden, bestimmt sich das Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem konkreten Umsatz und der gesamten Tätigkeit des Steuerpflichtigen nach dem objektiven Inhalt der von ihm bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen.

Im vorliegenden Fall eröffnen die Anwaltsdienstleistungen, deren Zweck darin besteht, strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche Personen, die Geschäftsführer eines steuerpflichtigen Unternehmens sind, zu vermeiden, diesem Unternehmen keinen Anspruch auf Abzug der für die erbrachten Leistungen geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer zu gewähren.

 

Normenkette

§ 15 UStG, Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Dem Gesellschafter und Prokuristen einer GmbH war vorgeworfen worden, dass sie zur Erlangung von Bauaufträgen für die GmbH vertrauliche Informationen durch Zuwendungen erreicht hätten; beide waren wegen Bestechung angeklagt. Beide hatten in einem Vertrag die Anwälte zur Strafverteidigung beauftragt. Die GmbH hatte vergeblich die Vorsteuer aus den Strafverteidigungskosten geltend gemacht.

 

Entscheidung

Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Die letzte Frage, wem in welcher Höhe der Vorsteuerabzug zusteht, wenn mehreren Personen der Vorsteuerabzug zusteht, war nach der Antwort auf die erste Frage nicht mehr zu entscheiden. Nicht nachvollziehbar bleibt die Annahme des EuGH (Rz. 16), eine Strafverfolgung hätte sich auch gegen die GmbH selbst richten können. Aus der Vorlageentscheidung jedenfalls ergibt sich das nicht.

 

Hinweis

Der BFH hatte dem EuGH mit Beschluss vom 22.12.2011, V R 29/10, BFH/PR 2012, 171 die Frage vorgelegt, ob sich der von der EuGH-Rechtsprechung bei der Auslegung des Begriffs für "Zwecke seiner besteuerten Umsätze" i.S.v. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL maßgebliche "direkte und unmittelbare Zusammenhang" nach dem objektiven Inhalt der vom Steuerpflichtigen bezogenen Leistung (Strafverteidigung für eine natürliche Person) bestimmt oder nach dem Entstehungsgrund der bezogenen Leistung (hier: Straftat "für Zwecke des Unternehmens"). Zudem hat der BFH angefragt, wie ggf. bei Abrechnung über eine gleichzeitig von mehreren Personen in Auftrag gegebene Leistung zu verfahren ist.

Die erste Frage war nicht zuletzt deshalb zweifelhaft, weil einkommensteuerrechtlich Strafverteidigungskosten, wenn sie durch eine berufliche Tätigkeit "veranlasst sind", nach der Rechtsprechung als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar sind. Zudem war eine Aussage des EuGH im Urteil "Investrand" (C-435/05, Slg. 2007, I‐1315) nicht eindeutig. Das hat der EuGH nun klargestellt: Im Kern sei auch dem Urteil im Fall "Investrand" zu entnehmen, dass "dann, wenn die Verfolgung der steuerpflichtigen Tätigkeit nicht den ausschließlichen Entstehungsgrund für die Tätigung bestimmter Kosten und Ausgaben darstellt, diese nicht als in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Tätigkeit stehend angesehen werden können".

Der EuGH betont, dass die Feststellung, ob ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den verwendeten Gegenständen oder Dienstleistungen und einem Ausgangsumsatz oder ausnahmsweise einem Eingangsumsatz besteht, den nationalen Gerichten obliegt. Dies gilt auch für die Frage, ob ein Leistungsbezug objektiv im Zusammenhang mit der der Steuer unterliegenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen besteht. Weil die Anwaltsdienstleistungen direkt und unmittelbar dem Schutz der privaten Interessen der beiden Beschuldigten, die wegen in ihrem persönlichen Verhalten liegender Zuwiderhandlungen strafrechtlich verfolgt wurden, dienten, kommt dem Umstand, dass sie durch ihre Tätigkeit für das Unternehmen "veranlasst wurden" oder diesem dienen sollten, jedenfalls umsatzsteuerrechtlich keine Bedeutung zu.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 21.02.2013, C-104/12– Becker

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