Leitsatz

1. Die dem amtlich bestellten Betreuer gewährte Aufwandsentschädigung ist keine Einnahme für die Pflege der betreuten Person i.S. des § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG.

2. Dem amtlich bestellten Betreuer ist der Pflege-Pauschbetrag nur aufgrund des Betreuungsverhältnisses ohne eine darüber hinausgehende enge persönliche Beziehung zum Betreuten nicht zu gewähren, da dem Betreuer aus dem Betreuungsverhältnis die Pflege des Betreuten nicht zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 2 EStG erwächst.

 

Normenkette

§ 33 Abs. 2, § 33b Abs. 6 EStG, § 1835, § 1835a BGB, § 14 SGB XI

 

Sachverhalt

Der Kläger ist seit 2013 zum Betreuer der A (Jahrgang 1925) und seit dem Streitjahr (2015) auch ihres Sohnes H (Jahrgang 1946; Grad der Behinderung 100, Merkmal "H") bestellt (u.a. betreffend "Gesundheitsfürsorge"). Beide Betreuten wohnen in unterschiedlichen Pflegeheimen.

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte der Kläger "steuerfreie Aufwandsentschädigungen bzw. Einnahmen" als ehrenamtlicher Betreuer i.H.v. 798 EUR und machte Pflege-Pauschbeträge nach § 33b Abs. 6 EStG i.H.v. jeweils 924 EUR für beide Betreuten geltend. Das FA lehnte den Ansatz der Pauschbeträge ab.

Mit dem Einspruch machte der Kläger lediglich noch den Pauschbetrag für die Pflege von H geltend. Dieser werde zwar überwiegend durch das Fachpersonal des Heimes gepflegt. Er selbst – der Kläger – fahre H jedoch zum Arzt, führe ihn mit seiner Mutter zusammen, mache Bewegungsübungen am Bett und im Rollstuhl, unterhalte sich und übe Lesen mit ihm. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück, weil die Pflegemaßnahmen nicht mindestens 10 % des gesamten pflegerischen Zeitaufwands ausmachten, also gegenüber der Heimpflege von untergeordneter Bedeutung seien. Zudem erfolge die Pflege nicht "in der Wohnung" des H.

Das FG wies die Klage als unbegründet ab, da der Kläger mit der Aufwandsentschädigung schädliche Einnahmen i.S.v. § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG erhalten habe (FG Düsseldorf, Urteil vom 13.11.2017, 15 K 3228/16 E, Haufe-Index 11569409, EFG 2018, 567).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers wies der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Ein Steuerpflichtiger kann nach § 33b Abs. 6 EStG wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die ihm durch die Pflege einer nicht nur vorübergehend hilflosen Person erwachsen, anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG einen Pflege-Pauschbetrag i.H.v. 924 EUR im Kalenderjahr geltend machen, wenn er dafür keine Einnahmen erhält. Weitere Voraussetzung für die Gewährung des Pauschbetrags ist, dass der Steuerpflichtige die Pflege entweder in seiner Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen persönlich durchführt (§ 33b Abs. 6 Satz 5 EStG).

2. Einnahmen i.S.d. § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG sind grundsätzlich sämtliche der Pflegeperson im Zusammenhangmit der Pflegezufließenden Einnahmen, sei es als Pflegevergütung, sei es als Ersatz für eigene Aufwendungen der Pflegeperson.

a) "Pflege" besteht in der Hilfeleistung bei Verrichtungen des täglichen Lebens, bei denen der Pflegebedürftige der Hilfe bedarf, etwa die Hilfe bei der Körperpflege, der Nahrungsaufnahme oder der hauswirtschaftlichen Versorgung (vgl. § 14 SGB XI).

b) "Betreuung" i.S.d. §§ 1896ff. BGB ist hingegen nicht tatsächliche Hilfe, sondern Beistand in Form von Rechtsfürsorge (vgl. § 1902 BGB).

c) Hieraus ergibt sich, dass der Kläger die pauschale Aufwandsentschädigung – entgegen der Auffassung des FG – nicht als Einnahme fürdie Pflege des H bezogen hat. Er hat sie vielmehr für die Betreuung des H erhalten. Denn Betreuung gemäß §§ 1896ff. BGB und Pflege i.S.d. § 33b Abs. 6 EStG unterscheiden sich grundlegend.

3. Die Entscheidung des FG stellt sich jedoch aus anderenGründen als zutreffend dar. Denn der Pflege-Pauschbetrag kann vorliegend mangels Zwangsläufigkeit nicht gewährt werden.

a) Nach der Rechtsprechung des BFH setzt auch die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags nach § 33b Abs. 6 EStG eine Zwangsläufigkeit voraus. Eine Zwangsläufigkeit aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen ist gegeben, wenn diese Gründe von außen so auf die Entscheidung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht ausweichen kann.

b) Der Kläger war zunächst weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen verpflichtet, die pflegerischen Maßnahmen gegenüber H zu erbringen. Insbesondere ergibt sich eine rechtliche Verpflichtung des Klägers nicht aus seiner Stellung als Betreuer des H.

c) Der Kläger war auch aus sittlichen Gründen nicht zur Erbringung der Pflegeleistungen verpflichtet. Im Anwendungsbereich des § 33b Abs. 6 EStG stellt der BFH zwar geringere Anforderungen an eine sittliche Verpflichtung als bei § 33 Abs. 2 EStG. Für die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags gemäß § 33b Abs. 6 EStG erkennt er eine sittliche Verpflichtung zur Pflege bereits unter der Voraussetzung an, dass eine enge persönliche Beziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und der gepflegten Person besteht (BFH, Urteil vom 29.8.1996, III R 4/95, BFH/NV 1997,...

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