Leitsatz

Ausländer, die sich im Rahmen einer ausländerrechtlichen Duldung im Inland aufhalten, haben keinen Anspruch auf Kindergeld.

 

Normenkette

§ 62 Abs. 1 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger und seine Familie sind Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina. Sie leben seit 1992 in Deutschland und waren zunächst geduldet. Ab August 1999 besaß der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis und erhielt seit September 1999 Kindergeld für seine drei Kinder. Sein Antrag, ihm rückwirkend auch für die Zeit davor ab Juli 1997 Kindergeld zu gewähren, blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Da der Aufenthalt des Klägers lediglich geduldet war, bestand für ihn nach altem und neuem Recht keine Kindergeldberechtigung. Auch nach dem deutsch-jugoslawischen Sozialabkommen hat der Kläger keinen Kindergeldanspruch. Denn er betreibt seit 1995 im Rahmen einer GbR einen Imbisswagen und war daher im Streitzeitraum nicht als Arbeitnehmer tätig.

 

Hinweis

Die Entscheidung bestätigt, dass auch nach der Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG ab 1.1.2006 Ausländern, deren Aufenthalt im Inland lediglich geduldet ist, kein Anspruch auf Kindergeld zusteht. Ein Anspruch kann sich jedoch aus den Abkommen über die soziale Sicherheit ergeben. Diese setzen grundsätzlich die Arbeitnehmereigenschaft voraus.

1. Nach der Rechtslage bis 2005 hing der Anspruch eines Ausländers auf Kindergeld davon ab, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Ausländergesetz 1990 (AuslG 1990) war. Eine Aufenthaltsbewilligung, Aufenthaltsbefugnis oder Duldung reichten nicht aus (§ 62 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F des JStG 1996).

Diese Regelung war vom BVerfG für die wortgleiche Vorschrift im BKKG für gleichheitswidrig erkannt worden (BVerfG, Beschluss vom 6.7.2004, 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160). Die Zielsetzung, Familienleistungen nur für ausländische Staatsangehörige vorzusehen, die sich voraussichtlich auf Dauer in der Bundesrepublik aufhalten, hat das BVerfG allerdings nicht beanstandet, sondern lediglich die Unterscheidung nach den Aufenthaltstiteln für ungeeignet gehalten, dieses Ziel zu erreichen.

§ 62 Abs. 2 EStG wurde daher durch Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006 mit Wirkung vom 1.1.2006 nach den Vorgaben des BVerfG neu gefasst. Die Neuregelung gilt für alle Fälle, in denen – wie im Streitfall – das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt wurde. Sie knüpft an die Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) an, das das AuslG 1990 ab 1.1.2005 abgelöst hat. Es ist daher zu prüfen, inwieweit die Aufenthaltstitel nach dem AuslG 1990 den in § 62 Abs. 2 EStG n.F. genannten Aufenthaltstiteln entsprechen. Das ist in §§ 101 ff. AufenthG geregelt. Danach bleibt eine Duldung für den Zeitraum ihrer Geltungsdauer weiter wirksam.

2. Auch nach neuem Recht (§ 62 Abs. 2 EStG n.F.) berechtigt jedoch eine bloße Duldung nicht zum Bezug von Kindergeld. Dies gilt trotz einer etwaigen Erwerbstätigkeit. Die geduldeten erwerbstätigen Ausländer sind bewusst vom Bezug von Kindergeld ausgeschlossen worden.

Die Neuregelung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, auch wenn sich Ausländer über einen längeren Zeitraum in der Bundesrepublik aufhalten und erwerbstätig sind. Für die Differenzierung zwischen Ausländern mit den in § 62 Abs. 2 EStG genannten Aufenthaltstiteln und Ausländern, die lediglich geduldet sind, bestehen sachliche Gründe. Denn bei einer bloßen Duldung kann nicht von der Vorstufe eines Daueraufenthalts ausgegangen werden, da durch sie lediglich die Abschiebung zeitweise ausgesetzt, die bestehende Ausreisepflicht aber nicht beseitigt wird. Die Erwägung des Gesetzgebers, das Kindergeld nur Ausländern zu gewähren, die einen rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik begründet haben und bei denen eine langfristige Integration beabsichtigt ist, ist sachlich gerechtfertigt.

3. Ein Kindergeldanspruch kann sich jedoch aus den jeweiligen Abkommen über die soziale Sicherheit ergeben, auch wenn der Ausländer nicht im Besitz eines qualifizierten Aufenthaltstitels i.S.v. § 62 Abs. 2 EStG ist. Die Abkommen beziehen sich allerdings grundsätzlich auf die deutschen Vorschriften über das Kindergeld für Arbeitnehmer und setzen daher – mit Ausnahme der Schweiz – die Arbeitnehmereigenschaft voraus. Dabei ist zu beachten, dass der Arbeitnehmerbegriff nicht in allen Merkmalen mit dem deutschen Begriff übereinstimmen muss. Anspruchsberechtigt kann daher auch sein, wer nach dem Ende der Beschäftigung Leistungen der Arbeitslosen- und Krankenversicherung erhält.

In der Beschränkung des Geltungsbereichs der Sozialabkommen auf Arbeitnehmer liegt kein Gleichheitsverstoß. Denn sie entspricht der Kindergeldberechtigung im Vertragsstaat. Das Prinzip der Gegenseitigkeit rechtfertigt die unterschiedliche Behandlung von selbstständig und nichtselbstständig tätigen Personen.

4. Zu beachten ist, dass dem von der Kindergeldberechtigung ausgeschlossenen Personenkreis aber jedenfalls der Kinderfr...

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