Leitsatz

1. Ein Rechtsanwalt, der nach der Vereinnahmung von Fremdgeld mit Honoraransprüchen gegen den Herausgabeanspruch des Mandanten aufrechnet, löst die für einen durchlaufenden Posten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG notwendige Verklammerung von Einnahme und Ausgabe zu einem einheitlichen Vorgang endgültig auf.

2. Mit dem Wegfall der Verklammerung und damit der Voraussetzungen eines durchlaufenden Postens ist das Fremdgeld als Betriebseinnahme in die Ermittlung des Gewinns für den Betrieb einzubeziehen.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG, § 266 StGB

 

Sachverhalt

Der Kläger war im Streitjahr 2011 als Rechtsanwalt in einer Einzelkanzlei selbstständig tätig. Seinen Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Ein Fremdgeldkonto führte er nicht. Nachdem er für eine Mandantin eine Vergleichszahlung in Höhe von 290.000 EUR erstritten hatte, rechnete er seine Honorarforderung i.H.v. 50.000 EUR gegen diese auf. Die Mandantin bestritt diese Honorarforderungen und verlangte im Streitjahr die Auszahlung des einbehaltenen Betrags. In dem sich daran anschließenden Rechtsstreit entschied das Zivilgericht, dass die vom Kläger geltend gemachten Honoraransprüche teilweise unbegründet waren.

Das FA war nach einer Außenprüfung der Auffassung, dass der vom Kläger aufgerechnete Betrag als Gewinn aus der Rechtsanwaltstätigkeit der Besteuerung zugrunde zu legen sei. Das FG wies die hiergegen erhobene Klage ab (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.3.2017, 2 K 2100/15, Haufe-Index 10715915, EFG 2017, 897).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Streitig war im vorliegenden Fall, ob es sich bei dem von dem Kläger für seine Mandantin vereinnahmten Fremdgeld um einen nicht steuerbaren durchlaufenden Posten handelte. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG scheiden aus der Gewinnermittlung im Wege der Einnahmen-Überschuss-Rechnung solche Betriebseinnahmen und -ausgaben aus, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (durchlaufende Posten). Voraussetzung für die Beurteilung als durchlaufender Posten ist die Verklammerung von Einnahme und Ausgabe zu einem einheitlichen Vorgang. Danach müssen beide Geldbewegungen in fremdem Namen und für fremde Rechnung geschehen. Diese können auch in verschiedene Gewinnermittlungszeiträume fallen. Unschädlich ist auch, wenn die Fremdgelder nicht auf einem separaten Fremdgeldkonto vereinnahmt und verwahrt, sondern untrennbar mit sonstigen Geldzuflüssen auf einem Konto vermischt werden.

2. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger die Verklammerung der Einnahmen und Ausgaben des für die Mandantin vereinnahmten Betrages durch die Aufrechnung mit eigenen Honorarforderungen endgültig gelöst. Er hat das Fremdgeld danach nicht mehr für fremde Rechnung verwahrt, sondern als ihm zustehende Honorareinnahme behandelt. Ihm ging es darum, durch die Aufrechnung seine Honorare beizutreiben. Der aufgerechnete Betrag war danach nicht mehr als durchlaufender Posten, sondern als Betriebseinnahme zu behandeln.

3. Dem stand nicht entgegen, dass das Zivilgericht die Aufrechnung mangels Bestehens des vom Kläger geltend gemachten Honoraranspruchs teilweise als unwirksam angesehen hat. Die zivilrechtliche Rückzahlungsverpflichtung hatte nicht zur Folge, dass weiterhin ein durchlaufender Posten i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG bestand. Erst die tatsächliche Rückzahlung der vereinnahmten Zahlung führt zu einer Betriebsausgabe im Jahr des Abflusses.

4. Der vorliegende Fall ist nach Auffassung des BFH nicht mit der steuerlichen Beurteilung einer Untreue i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB vergleichbar. Diesbezüglich war nach dem BFH-Urteil in BFHE 249, 74, BStBl II 2015, 643, BFH-PR 2015, 329 die Entnahme des Fremdgelds nicht steuerbar, da diese außerhalb des Tatbestands der Einkünfteerzielung erfolgte. Im vorliegenden Streitfall wurde der Wegfall der Verklammerung des durchlaufenden Postens jedoch nicht durch einen strafbaren Zugriff des Klägers auf das Fremdgeld verwirklicht, sondern durch eine Aufrechnung. Diese erfüllt nicht den Tatbestand der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.9.2020 – VIII R 14/17

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