Leitsatz

Umsatzsteuer auf von einer Lotsenbrüderschaft bezogene Eingangsleistungen, die sie zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Selbstverwaltungsaufgaben verwendet, kann der der Lotsenbrüderschaft zugehörige Seelotse nach anteiliger Umlegung auf ihn – auch unter Beachtung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer – nicht als Vorsteuer abziehen.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, § 2 Abs. 3 Satz 1 a.F. UStG, § 27, § 28 SeeLG, Art. 9, Art. 168, Art. 169 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO

 

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein Seelotse, gehört der für das Seelotsrevier A zuständigen Lotsenbrüderschaft (Lotsenbrüderschaft), einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über das Seelotswesen (SeeLG), an. Eine Lotsenbrüderschaft besteht aus den für dieses Seelotsrevier bestellten Seelotsen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SeeLG). Sie hat die ihr durch Gesetz oder Verordnung übertragenen Aufgaben zu erfüllen (§ 27 Abs. 2 Satz 1 SeeLG) und im Rahmen ihrer Selbstverwaltung die Belange des Seelotsreviers zu wahren und zu fördern (§ 27 Abs. 2 Satz 2 SeeLG). Die Ausgaben der Lotsenbrüderschaft, die u.a. die Lotsgelder für Rechnung ihrer Seelotsen einnimmt und diese nach Abzug der anteiligen Ausgaben verteilt, werden von den Mitgliedern anteilmäßig getragen (§ 27 Abs. 3 SeeLG).

Die Lotsenbrüderschaft bezog zur Wahrnehmung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben Leistungen, für die ihr Vorsteuern in Rechnung gestellt wurden. Die davon gemäß § 27 Abs. 3 SeeLG auf den Kläger anteilig entfallenden Beträge (laufende Verwaltungskosten und Errichtung Verwaltungsgebäude) wurden in der Lotsgeldabrechnung für Dezember 2008 vom Lotsgeld abgezogen.

Der Kläger machte die der Lotsenbrüderschaft in Rechnung gestellten und auf ihn anteilig umgelegten Beträge in seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2008 vergeblich als Vorsteuern geltend. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

Die Klage hatte gleichfalls keinen Erfolg. Das FG (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 10.9.2014, 4 K 53/11, Haufe-Index 7436686, EFG 2015, 87) führte aus, der Kläger sei als Lotse und Mitglied der Lotsenbrüderschaft nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG vorsteuerabzugsberechtigt für Eingangsumsätze, die von der Lotsenbrüderschaft für die Erfüllung der ihr nach dem SeeLG obliegenden Aufgaben verwendet wurden. Diese Eingangsumsätze seien nicht "für das Unternehmen" des jeweiligen Seelotsen erbracht worden. Aus dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer folge nichts anderes.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des Seelotsen als unbegründet zurück. Ob die Lotsenbrüderschaft teilweise unternehmerisch tätig ist, konnte der BFH dabei offenlassen, weil nicht sie, sondern der Seelotse den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat.

 

Hinweis

Kann ein unternehmerisch tätiger Seelotse als Mitglied einer Lotsenbrüderschaft (Körperschaft des öffentlichen Rechts, § 27 Abs. 1 Satz 2 SeeLG, die "im Rahmen ihrer Selbstverwaltung die Belange des Seelotsenreviers zu wahren und zu fördern hat, § 27 Abs. 2 SeeLG), anteilig den Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen geltend machen, die die Lotsenbrüderschaft zur Erfüllung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben bezogen hat, weil er, der Seelotse, die Kosten anteilig tragen muss (§ 27 Abs. 3 SeeLG)?"

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern "für sein Unternehmen" ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

Zur Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug ist außerdem erforderlich, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG; vgl. dazu z.B. EuGH, Urteil vom 4.5.2017, C-274/15, Kommission/Luxemburg, Haufe-Index 10831053, MwStR 2017, 362, Rz. 67; BFH, Urteil vom 20.10.2016, V R 26/15, BFH/NV 2017, 252, Rz. 10 ff.).

2. Zum Vorsteuerabzug ist grundsätzlich der Leistungsempfänger berechtigt, d.h. grundsätzlich derjenige, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 28.8.2013, XI R 4/11, BFH/NV 2013, 2029, BStBl II 2014, 282, Rz. 34; BFH, Urteil vom 28.8.2014, V R 49/13, BFH/NV 2015, 128, Rz. 25). Nicht entscheidend ist, wer zivilrechtlicher Eigentümer eines bezogenen Gegenstands wird, wem die Leistung wirtschaftlich zuzuordnen ist oder wer sie bezahlt hat (vgl. BFH, Urteil vom 23.9.2009, XI R 14/08, BFH/NV 2010, 367, BStBl II 2010, 243, Rz. 23, m.w.N.).

3. Jedoch sind (u.a. zur Wahrung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer) Ausnahmen denkbar:

a) So können nach der Rechtsprechung des BFH bei gemeinschaftlicher Bestellung durch eine Bruchteilsgemeinschaft, die keine Rechtspersönlichkeit besitzt und selbst keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, die Miteigentümer als Leistungsempfänger anzusehen sein (vgl. BFH, Urteil vom 1.10.1998, V R 31/98, BFH/NV 1999, 575, BStBl II ...

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